Disput um Salzeinleitung: Brüssel will saubere Weser
Die EU-Kommission rügt die Bundesregierung: Sie habe kein Konzept, um die Salzeinleitung in Werra und Weser durch K+S zu reduzieren.
BREMEN taz | Die EU-Kommission hat in Sachen Salzeinleitung in Werra und Weser Druck gemacht. Wie die Landtagsabgeordneten der Linken Tilo Kummer (Thüringen) und Marjana Schott (Hessen) mitteilten, soll die Bundesregierung bis Ende Januar erklären, was sie unternommen hat, um die Abwassereinleitungen des Düngemittelproduzenten K+S zu verringern. Zudem seien die Pläne für das weitere Vorgehen nicht weit genug ausgearbeitet worden. Legen der Bund und die betroffenen Länder nicht nach, droht ein Bußgeld aus Brüssel.
Gegenstand des Streits sind die großen Mengen Salzlauge aus Produktionsrückständen, die der Kasseler Düngemittelhersteller K+S in die Werra und damit auch in die Weser pumpt. Die beiden Flüsse waren zwar schon einmal viel salziger – vor der Wende, als große Mengen Salz aus der DDR die Werra herunter kamen. Doch inzwischen hat sich die EU ein Ziel gesetzt: Bis 2015 sollen alle Gewässer der Union einen „guten ökologischen Zustand“ aufweisen.
Weil Werra und Weser davon noch weit entfernt sind, und die Bundesregierung wenig Anstalten machte, daran etwas zu ändern, hat eine Gruppe von 18 Städten, Gemeinden, Landkreisen und Stadtwerken sich 2009 bei der Kommission beschwert. Ein intensiver Briefwechsel der Kommission mit der Bundesregierung veranlasste die Kommission schließlich, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten.
K+S entledigt sich seiner Salzabwässer derzeit auf zwei Wegen: Die eine Hälfte pumpt sie unter die Erde zurück – die Genehmigung dafür läuft 2015 aus. Die andere Hälfte leitet sie in die Weser. Das ist bis 2020 genehmigt, ab 2015 allerdings in schrumpfenden Mengen. Ein runder Tisch aus Vertretern der Firma, der Länder und der Anrainer verhandelt, wie die Salzfracht verringert werden könnte. Diskutiert wird eine Salzwasserpipeline zur Oberweser oder gleich bis zur Nordsee. Neu ist die Idee, die Abwasserlauge einzudampfen und dabei verkäuflichen Rohstoff zu gewinnen. K+S möchte sich außerdem die Möglichkeit erhalten, die Lauge in unterirdische Gesteine zu pumpen und würde dabei gering gegen stark konzentrierte Lauge austauschen.
Die EU-Kommission erkenne zwar an, dass K+S wirtschaftlich arbeiten müsse, sagt der Abgeordnete Kummer unter Verweis auf das Schreiben an die Bundesregierung. Sie sei bereit, die Frist zum Erreichen des guten ökologischen Zustands über 2015 hinaus auszudehnen – aber nur wenn der Bund und die zuständigen Länder dafür stichhaltige Gründe lieferten. „Als Begründung reicht nicht, dass es teuer wäre für K+S“, sagt Kummer.
Unzufrieden sei die Kommission außerdem mit Vorschlägen für eine Verringerung der Salzfracht. Es sei nicht hinreichend geklärt worden, ob eine Pipeline zur Nordsee technisch machbar und wirtschaftlich zumutbar sei. Außerdem habe die Bundesregierung den Vorschlag der „stofflichen Verwertung“ – das Eindampfen – der Lauge nicht als Alternative in Betracht gezogen.
Über das Eindampfen stritten sich die Experten in der vergangenen Woche am runden Tisch. Vorgeschlagen hat es die Firma K-Utec, die K+S mit einer Entsorgung auf diesem Wege sogar einen Gewinn versprach. Die Gemeinden bewerten das Konzept als technisch machbar, während K+S mitteilte, es handle sich „um ein theoretisches Konzept, dessen technische Realisierbarkeit nicht nachgewiesen ist“. Der Investitionsbedarf sei zu hoch und der Nutzen zweifelhaft: Weil beim Verdampfen Gas verbrannt werde, steige der Kohlendioxidausstoß, so dass sich der Schaden bloß vom Wasser auf die Luft verschiebe. K+S sei dabei, die Salzfracht weiter zu verringern – von zehn auf sieben Millionen Kubikmeter im Jahr bis Ende 2015 .
„Die Strategie von K+S ist klar“, findet die Landtagsabgeordnete Schott. Das Unternehmen versuche, größere Investitionen in die umweltgerechte Entsorgung seiner Abwässer so lange hinauszuzögern, bis sich die Ausbeutung der hessischen und thüringischen Kalivorkommen nicht mehr lohne. Dabei sei klar, dass es zumindest mit dem Versenken von Abwässern in den Boden nach 2015 vorbei ist, weil Hessen das nicht mehr genehmigen will.
Wenn die Länder demnächst die neuen Bewirtschaftungspläne für die Werra und die Weser machten, müssten sie gut begründete Vorschläge zur Salzwasser-Entsorgung machen, sagt Kummer. Geschehe das nicht, drohe aus dem Vertragsverletzungsverfahren der EU ein Bußgeldverfahren zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Habeck fordert Milliardärssteuer
Wer glaubt noch an Robert Hood?
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
Vorteile von physischen Spielen
Für mehr Plastik unterm Weihnachtsbaum
Gründe für das Aus der SPD-Kanzler
Warum Scholz scheiterte