Diskussion um Rad-WM in Ruanda: Wie streng sollen die Maßstäbe sein?
Die Straßenrad-WM in Ruanda löst eine politische und moralische Debatte um Sportswashing aus, die immer komplizierter wird.
E s ist eine gute und schlechte Nachricht zugleich. Erstmals findet ab Sonntag eine Straßenrad-Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent statt. In Ruanda, wo sich die Tour du Ruanda seit 2008 auch im internationalen Rennkalender etabliert hat und mit der Tour du Faso in Burkina Faso zu den wichtigsten afrikanischen Radsportereignissen zählt.
In Ruanda, wo Opposition und Medien drangsaliert werden und die Machthaber für Menschenrechtsverbrechen im Ostkongo mitverantwortlich gemacht werden, weil sie eine dort wütende Rebellenorganisation unterstützen. Präsident Paul Kagame wird vorgeworfen, eine Sportswashingstrategie zu verfolgen, sich mit der WM-Premiere oder Fußballpartnerschaften mit Arsenal London, Paris Saint-Germain oder Bayern München weltweit Anerkennung zu verschaffen. Im Frühjahr hat die Europäische Union Sanktionen gegen Ruanda verhängt und unter anderem die Absage der Rad-WM in Kigali gefordert, sollte Ruanda seinen Kurs nicht ändern.
Die Verantwortlichen im Radsport reagierten mit den üblichen Abwehrreflexen. Sie stecken ihren Kurs im vermeintlich politikfreien Raum ab. David Lappartient, Präsident des Weltverbands UCI, erklärte, der Sport müsse neutral bleiben und einen Plan B zur WM in Ruanda gebe es nicht. Irgendwann, wandte der deutsche Teamchef Jens Zemke dieser Tage ein, würde es bei strengen Maßstäben eng werden, noch ein Ausrichterland für die WM zu finden.
Es ist ein etwas betagtes Argument in der sportmoralischen Debatte, das neuerdings aber an Kraft gewinnt, wenn man sieht, wie der Autoritarismus auch in Europa immer populärer wird und sich in den USA schon so verfestigt hat, dass über einen Entzug der Fußball-WM 2026 und der Olympischen Spiele 2028 zumindest einmal nachgedacht werden müsste.
Widersprüche immer größer
Sportswashing ist so attraktiv geworden, weil der Sport sich erfolgreich ein sauberes Image zugelegt hat, mit dem er reichlich Geld verdient. Er präsentiert sich als verbindende Kraft, welche die Menschen unabhängig von Nationalität, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht zusammenbringt. Aber Geld verdienen lässt sich in den vergangenen Jahren in zunehmendem Maße auch mithilfe von Scheichs und Despoten.
So werden die Widersprüche immer augenfälliger, wenn etwa Fifa-Chef Gianni Infantino einerseits mit US-Präsident Donald Trump kungelt und bei der Klub-WM die Antirassismuskampagne aussetzt, andererseits selbst einen Rassismusvorfall in Potsdam im DFB-Pokal anprangert.
Im Fall von Ruanda hat der FC Bayern im August einen bemerkenswerten Eiertanz aufgeführt. Die Partnerschaft mit dem Staat Ruanda wurde umgewandelt. Die viel kritisierte Werbung für Reisen in das afrikanische Land, die seit 2023 mit dem Slogan „Visit Rwanda“ über die Banden am Spielfeldrand im Stadion flimmerte, wurde eingestellt. Dafür will der Verein künftig die Nachwuchsförderung in einer Akademie vor Ort unterstützen.
In Ruanda grämt man sich nicht über die veränderte Zusammenarbeit. Die fortgeführte Partnerschaft mit dem FC Bayern stelle sicher, heißt es dort, dass Talententwicklung ein Bestandteil der Vision des Lands bleibe, Ruanda als globalen Knotenpunkt für Tourismus, Investitionen und Spitzensport zu positionieren.
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