Diskussion über Impfstatus im US-Sport: Superstar ohne Job
Die Saison im American Football beginnt und Quarterback Cam Newton ist arbeitslos. Er ist nicht gegen Corona geimpft. Ist das der Grund?
M orgen beginnt die neue Saison der NFL, wenn der Titelverteidiger, die Tampa Bay Buccaneers die Dallas Cowboys zum sogenannten Kick-off-Game empfangen. In den kommenden Monaten werden 32 Mannschaften mit insgesamt mehr als 1.700 Football-Profis versuchen, die Superbowl im Februar zu gewinnen. 1.700 Spieler, aber einer ist nicht dabei: Cam Newton.
Das ist eine Überraschung. Schließlich ist Newton nicht irgendwer, sondern wurde noch vor sechs Jahren zum besten Spieler der Liga gewählt. Lange Zeit war er eines der Aushängeschilder der NFL, nicht nur ein herausragender Athlet mit einer elektrisierenden Spielweise, sondern mit seinem flamboyanten Auftreten auch ein Medienliebling. Zugegeben: Im vergangenen Jahr, seiner ersten und letzten Saison als Quarterback der New England Patriots, spielte er sehr schlecht.
Aber diese Spielzeit sollte alles anders werden: Newton behauptete, dass er zum ersten Mal seit fünf Jahren schmerzfrei in die Vorbereitung gehen konnte. In den Testspielen schien das Schulterproblem, das ihn lange plagte, gelöst. Newton warf den Ball wieder so souverän über große Entfernungen, wie man es lange nicht mehr hatte.
Trotzdem fiel der 32-Jährige dem letzten Cut zum Opfer. Als die Patriots ihren Kader auf die vorgeschriebenen 53 Akteure kürzen mussten, wurde Newton entlassen. Gründe wurden – wie üblich in der NFL – nicht angegeben. In der Gerüchteküche aber wurde es heiß. Die erste Erklärung, die die Runde machte: Newton ist nicht gegen Covid geimpft.
Rückstand durch Quarantäne
Tatsächlich hat der ansonsten sehr mitteilungsfreudige Quarterback nie erklärt, ob er nun geimpft ist oder nicht, und die Entscheidung zur Privatsache erklärt. Als er nun im Trainingslager mehrere Tage fehlte, weil er New England verlassen hatte und in Quarantäne musste – eine Regelung, die nur für Ungeimpfte gilt –, war klar, was Sache ist.
Ob das wirklich der Grund war, weshalb der Star entlassen wurde? Patriots-Cheftrainer Bill Belichick dementierte. Die fehlende Impfung sei kein Grund gewesen, es gäbe noch mehr ungeimpfte Spieler im Kader, und auch einige geimpfte Spieler hätten sich mit Covid-19 infiziert. Vielleicht wollte Belichick nur eine Diskriminierungsdiskussion verhindern, denn auch in den USA laufen Impfgegner und Querdenker Sturm gegen eine vermeintliche Zweiklassengesellschaft. Tatsächlich haben sich bislang wohl nur gut 80 Prozent aller NFL-Profis gegen Corona impfen lassen.
Auch wenn sein Impfstatus nicht der unmittelbare Grund für seine Entlassung ist, dann doch zumindest der mittelbare. Denn während seiner dreitägigen Abwesenheit nutzte Mac Jones, eigentlich nur als Newtons Vertreter vorgesehen, seine Chance, die Nummer eins auszustechen. Ist doch das wichtigste Ziel von Trainingslager und Vorbereitungsspielen das Einstudieren der komplexen Spielzüge, in denen der Quarterback und seine Mitspieler ein streng choreografiertes Ballett aufführen, bei dem Timing und Abstimmung alles sind.
Ein Sekundenbruchteil zu früh oder zu spät angesetzter Haken eines Passempfängers kann den Unterschied machen zwischen Sieg und Niederlage. Während Newton in der Quarantäne festsaß, hatte Jones, der im vergangenen Jahr noch im College spielte, mehr Zeit, diese Spielzüge einzustudieren – und konnte den Trainerstab anscheinend davon überzeugen, dass er trotz seiner fehlenden Profi-Erfahrung die bessere Alternative ist.
Allerdings: Warum Newton auch eine gute Woche nach seiner Entlassung noch immer keinen neuen Job gefunden hat, ist seltsam. Vielleicht steht ihm ja tatsächlich sein neues Image als Impfgegner im Wege, denn rein sportlich gehört er in die Liga, da sind sich die Experten einig. In der gibt es schließlich 32 Teams, die 32 Quarterbacks und mindestens 32 Ersatz-Quarterbacks im Kader haben – darunter dürften einige sein, die Newton nicht das Wasser reichen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett