Diskriminierung von Roma in den Medien: Am Rand im Abseits

Lustige Musikanten oder Kriminelle: Über Sinti und Roma wird stereotyp berichtet. Auch Straßenzeitungen, die dagegen angehen wollen, sind überfordert.

Roma-Kinder als Klau-Kids? Solche Schlagzeilen finden sich in Zeitungen. Bild: photocase/kallejipp

WIEN taz | Politisch, engagiert und mit dem Blick für die Ausgegrenzten: Bastian Pütter leitet im Ruhrgebiet eine besondere Redaktion. Bodo, das Straßenmagazin. Seine Leute berichten über das Abseitige, für die gute Sache. Aber mit einem kommt Bastian Pütter nicht klar: Wie soll er damit umgehen, dass auf der Straße ein harter Kampf stattfindet, der mitten unter Ausgegrenzten spielt?

In der Nähe seiner Dortmunder Redaktion lag neulich ein abgetrennter Pferdefuß vor einer Haustür. Eine Frau hatte das blutige Fleisch dort abgelegt. Weil sie dachte, damit könnte sie Menschen abschrecken, die ohnehin bereits eine lange Verfolgungsgeschichte haben: Roma. In Dortmund, sagt Pütter, sei das ein Riesenthema. "Wir haben eine völlig überforderte Stadtgesellschaft, die sich auch in den Medien offen rassistisch äußert." Pütter will dagegen angehen. Aber wie? Denn auch die Straßenzeitungen, die hinschauen müssten, sind völlig überfordert.

Da haben sie etwas gemein mit vielen Tageszeitungen: Auf der Skala der anhaltendsten Diskriminierungen steht die Minderheit der Sinti und Roma ganz oben. "Beschwerden über den medialen Umgang mit Sinti und Roma beschäftigen den Presserat in jeder seiner Ausschusssitzungen", heißt es beim Deutschen Presserat. "Über Roma wird sehr, sehr stereotyp berichtet: Entweder werden sie als lustige Musikanten oder als Kriminelle dargestellt", sagt Hamze Bytyci, Vorsitzender des interkulturellen Roma-Jugendnetzwerks Amaro Drom in Berlin.

"Arm gegen Ärmer?! Roma, Asylbewerber und die "Einheimischen" – Armut in verschiedenen Kulturen."

Das war der Titel eines eintägigen Impulstages deutschsprachiger Straßenzeitungen, den die taz gemeinsam mit dem Romano Centro in Wien, dem Berliner Jugendnetzwerk Amaro Drom und zahlreichen deutschsprachigen Straßenzeitungen unter Förderung des österreichischen Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz organisiert hat.

Einen Tag lang unterhielten sich dabei am Freitag rund 40 Teilnehmer aus Österreich und Deutschland in Wien über die Hintergründe und Probleme eines Verteilungskampfes, der auf unterster Ebene stattfindet.

"Die Klau-Kids von Köln"

In einem besonders krassen Fall veröffentlichte der Kölner Express im Jahr 2002 auf seiner Titelseite Kopfbilder einiger dutzend Roma-Kinder unter der Überschrift "Die Klau-Kids von Köln" und behauptete, sie seien für 100.000 Straftaten jährlich verantwortlich.

Immer wieder im Fokus des Presserats steht die Offenbach-Post, die für ihre diskriminierende Berichterstattung über Roma wiederholt gerügt wurde – weil sie bei Kriminalitätsberichterstattung die ethnische Gruppenzugehörigkeit besonders dreist betonte. Chefredakteur Frank Pröse ist noch heute der Ansicht, "dass es bestimmte Vergehen gibt, die nur von dieser Bevölkerungsgruppe begangen werden können", wie er der taz sagte. Genau gegen solche Stigmatisierungen würde Bastian Pütter gern angehen.

Doch bei Bodo gilt noch immer, was auch bei vielen anderen Straßenzeitungen gilt: Roma dürfen sich nicht am Verkauf der Straßenzeitungen beteiligen. Das Recht, die Zeitungen auf der Straße zu verkaufen, ist anderen vorbehalten. Auch beim Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt ist das so.

Verkäufer mit Roma-Hintergrund bleiben außen vor

Hans Steininger, Vertriebsleiter des Salzburger Straßenmagazins Apropos, sagt diplomatisch: "Es ist schwierig, die alteingesessenen Verkäufer für den großen Zulauf von Roma zu begeistern." Steininger bemüht sich, die Vertriebsstrukturen zu öffnen, um Roma nicht grundsätzlich außen vor zu halten. Denn bei anderen Straßenzeitungen wie der größten Straßenzeitung Österreichs, dem Augustin, klappt es ja auch. Doch viele Straßenzeitungen befürchten die Zerreißprobe, wenn sie sich auf diese Auseinandersetzungen einlassen. Und deshalb bleiben gewillte Straßenverkäufer mit Roma-Hintergrund oft pauschal außen vor.

Bei Hans Steininger schimpfen sich österreichische Straßenzeitungsverkäufer aus, weil Verkäufer mit Roma-Hintergrund eine Parallelstruktur aufbauen würden. Die würden ihre ganzen Familien versorgen und Kunden verschrecken, sagen die einen über die anderen. Es ist der schwere Umgang mit Stereotypen, angedockt an einer häufig brutalen Realität, in der fast alle Beteiligten unter existentiellem Druck stehen. Erst am Donnerstag erhielt in Wien ein rumänischer Straßenzeitungsverkäufer eine Strafe von 100 Euro, weil er "auf gewerbsmäßige Weise gebettelt" haben soll. Er wollte nur eine Straßenzeitung verkaufen.

"Auch in Dortmund schauen die Behörden bei uns sehr genau hin. Wenn wir da nicht aufpassen, kann uns der ganze Laden um die Ohren fliegen", sagt Bastian Pütter. In Wien ist er, um zu diskutieren und zu lernen. Die taz hatte dazu gemeinsam mit Roma-Initiativen und Straßenzeitungsprojekten aus Deutschland und Österreich eingeladen. Denn auf der Straße, ganz unten, spielen sich Verteilungskämpfe ab, die es in sich haben. Es geht um die Frage, wer auch am Rand der Gesellschaft noch am Rand stehen muss. Die Fragen sind da, nicht nur bei Bastian Pütter. Doch die Antworten darauf sind offen.

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