Diskriminierung an Berliner Schulen: Das Dunkelfeld wird langsam heller

Es werden mehr Diskriminierungen gemeldet, und das Gros von ihnen ist rassistisch motiviert. Insbesondere bei Lehrkräften steigt die Sensibilisierung.

Klassenzimmer mit Tafel und Schwamm

Lernort, manchmal auch Tatort: Ein Klassenzimmer Foto: picture alliance/Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz | Die Zahl der gemeldeten Diskriminierungsvorfälle an Schulen steigt weiter an. Das geht aus einer Antwort der Bildungsverwaltung auf eine Anfrage der SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasić hervor, die der taz vorliegt. Demnach ist insbesondere die Zahl der gemeldeten Vorfälle gestiegen, wo SchülerInnen sich wegen einer Diskriminierung durch Schulpersonal an die Antidiskriminierungsstelle der Bildungsverwaltung gewandt haben: Die Zahl stieg um 47 Fälle auf 143 Meldungen im vergangenen Schuljahr, eine Erhöhung um fast 50 Prozent im Vergleich zu 2018/19. Insgesamt stieg die Zahl aller gemeldeten Fälle durch SchülerInnen leicht von 258 auf 272 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Die Zahl der gemeldeten Diskriminierungsvorfälle an Schulen wurde überhaupt erst im November 2018 erstmals von der Bildungsverwaltung öffentlich gemacht – obwohl es die Stelle einer Antidiskriminierungsbeauftragten für die Schulen bereits seit 2016 gibt. Die damalige Antidiskriminierungsbeauftragte Saraya Gomis hatte stets darauf hingewiesen, dass die Zahlen nicht das wahre Ausmaß der Diskriminierungsvorfälle spiegelten – weil die Hürde, sich überhaupt zu trauen, einen Vorfall zur Anzeige zu bringen, gerade bei SchülerInnen hoch sei.

Dass die Zahlen nun seit Jahren weiter ansteigen, ist für die Abgeordnete Lasić denn auch eher ein Zeichen dafür, „dass die geschaffenen Beschwerdestrukturen erfolgreich dazu beitragen, dass Diskriminierungen ans Tageslicht kommen“, sagte sie der taz am Wochenende. Die „Hemmschwelle für die Betroffenen die Vorfälle zu melden“ sei offenbar weiter gesunken, „und das ist gut so.“ ExpertInnen, die seit Jahren in diesem Bereich arbieten, sehen auch die verbesserten Ressourcen gerade in der Projektarbeit zu Antidiskriminierung an Schulen als Grund, warum das Dunkelfeld sich womöglich langsam ein wenig erhellt.

Tatsächlich wirft die Anfrage einige interessante Schlaglichter darauf, wer in Schulen zunehmend sensibilisiert auf Diskriminierungen reagiert – und das sind neben den Kindern und Jugendlichen vor allem die LehrerInnen und ErzieherInnen. Die gemeldeten Vorfälle von Diskriminierungen innerhalb des Kollegiums haben sich von 7 im Schuljahr 2018/19 auf 21 in 2019/20 verdreifacht. Insgesamt hat sich die Zahl der durch Schulpersonal gemeldeten Vorfälle von 18 auf 41 in denselbem Zeitraum mehr als verdoppelt.

Leichter Anstieg bei Antisemitismus

Das Gros der Fälle, die in der Beratung der Antidiskriminierungsstelle landeten, waren laut der Anfrage rassistische Diskriminierungen: 203 Vorfälle wiesen Merkmale von Rassismen in Bezug auf Herkunft, Nationalität oder Sprache auf. Fälle von Antisemitismus wurden 2019/20 25 gezählt (Vorjahr: 19).

Ebenfalls bemerkenswert: Nur bei 15 von insgesamt 313 Meldungen in 2019/20 erwies sich in der anschließenden Beratung und Begleitung des Falls kein Hinweis auf eine tatsächliche Diskriminierung. Das heißt: Die allermeisten Menschen, die sich an die Antidiskriminierungsstelle wenden, haben allen Grund dazu.

Disziplinarmaßnahmen gegenüber Lehrkräften, auch das macht die Antwort der Bildungsverwaltung deutlich, werden hingegen kaum erlassen: Seit dem 1. Januar 2015 habe man – allerdings nur auf die verbeamteten KollegInnen bezogen – 29 Disziplinarmaßnahmen eingeleitet. In 14 Fällen konnte man dann „kein diskriminierendes Verhalten“ feststellen. In zehn Fällen steht die Entscheidung allerdings noch aus.

Derzeit ist die Stelle des Antidiskriminierungsbeauftragten vakant. Der bisherige Amtsinhaber, Derviş Hızarcı, hatte erst Anfang September nach nur einem Jahr wieder hingeschmissen – offiziell soll der Job bei einer Stiftung schlicht zu reizvoll gewesen sein. Hizarcis Vorgängerin Gomis hingegen hatte bei ihrem Abgang kritisiert, es fehle der Stelle an Handlungsspielraum: Die Antidiskriminierungsbeauftragte ist nicht Teil des Krisenteams einer Schule. Im Konfliktfall ist ihre Hilfe also nicht verbindlich – die Schulen können einen Besuch schlicht ablehnen.

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