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Disko-Schlägerei nicht aufzuklären

Vor dem Landgericht endete ein Prozess um eine gefährliche Schlägerei mit milden Urteilen. Es blieb unklar, wer dem Opfer gezielt gegen den Kopf trat. Die Staatsanwältin beklagte „schamlosen Lügen“

Von Klaus Wolschner

Die Täter hätten den Tod des Opfers in Kauf genommen, das ist das Urteil der Vorsitzenden Richterin der Strafkammer des Bremer Landgerichts in einem Prozess um eine Schlägerei. Mehrfach sei am 18. November 2017 gegen drei Uhr nachts in der Diskothek „Avenue“ am Hillmannplatz auf den Kopf des am Boden liegenden Opfers eingetreten worden. Die Strafen für die Angeklagten allerdings fielen am Mittwoch dennoch milde aus: Vier Wochen Jugendarrest für den zur Tatzeit 19-jährigen Rehber T. und acht Monate Haft auf Bewährung für seinen ein Jahr älteren Cousin Azad T.

Denn trotz verschiedener Zeugen sei nicht aufzuklären gewesen sei, wer die entscheidenden Kopftritte versetzt hatte.

„Völlig unglaubwürdige Gefälligkeitsaussagen“ habe es da im Zeugenstand gegeben, hatte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer geklagt, es sei schamlos gelogen worden, zum Glück hätten verschiedene Zeugen nicht über die intellektuellen Fähigkeiten verfügt, ihre Versionen des Tatgeschehens untereinander abzusprechen.

Einig war man sich vor Gericht über den banalen Anlass der Schlägerei: Nach einem nächtlichen Rundgang durch die Diskothek wollte Rehber T. in den sogenannten „roten VIP-Bereich“, den man für private Feiern reservieren kann. Normalerweise kontrollieren Türsteher, dass kein Unbefugter hineingeht, an diesem Abend war offenbar keiner da – eine Frau, die zu der feiernden Gruppe gehörte, erklärte Rehber T., er habe da nichts zu suchen, er solle sich „verpissen“.

Das war offenbar zu viel und zu laut, jedenfalls erklärte Rehber T. später, er habe sich in seiner Ehre verletzt gefühlt, weil Umstehende gehört hätten, wie eine Frau ihm den Zutritt versagte. Er beschimpfte sie als „Hure“, dann eskalierte die Situation. Als zwei Disko-Gäste der Frau zu Hilfe kommen wollten, kamen weitere Familienangehörige und Freunde von Rehber T. dazu. Whisky-Gläser wurden gezielt geworfen, eine Prügelei brach aus.

In den ersten Tagen nach der Schlägerei, als Rehber T. in Untersuchungshaft saß und die Staatsanwaltschaft wegen „versuchten Totschlags“ ermittelte, war sein Cousin Azad zur Polizei gegangen und hatte erklärt, er sei es, der getreten habe. Als Rehber T. dennoch nicht aus der Haft entlassen wurde, widerrief er seine Aussage und schwieg seitdem – auch vor Gericht.

Das Opfer musste damals zwei Wochen lang wegen erheblicher Schädelverletzungen im Krankenhaus behandelt werden und leidet bis heute an den Folgen der Fußtritte gegen den Kopf. Rehber T. als „Verursacher“ der Prügelei muss dem Opfer 5.000 Euro Schmerzensgeld zahlen und bekommt ein Jahr lang einen Betreuer zur Seite gestellt. Azad T., an dessen Schuhsohlen Blut des Opfers klebte, bekam acht Monate – für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

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