Digitales Leak von Promi-Infos: Seehofer stolpert ins Datenleck
Wer hinter dem Datenklau-Skandal steckt, ist unklar. Nun muss das Bundesinnenministerium für Aufklärung sorgen – bis Mitte der Woche.

Kann Innenminister Seehofer das Datenleck aufklären und neue Skandale verhindern? Foto: ap
BERLIN taz | Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gerät im Datenklau-Skandal zunehmend unter Druck. Auf Kritik stößt nicht nur die maue Informationspolitik seines Ministeriums, sondern auch seine Strategie, um die Privatsphäre der Bürger*innen digital zu schützen. „Das Ministerium ist dafür zuständig, die gesamte IT-Sicherheit im Land zu erhöhen und für einen guten Standard zu sorgen. Das passiert jedoch nicht“, sagte die netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Anke Domscheit-Berg, der taz.
Sie forderte eine Meldepflicht für Sicherheitslücken und verpflichtende Mindestsicherheitsstandards für Hersteller von IT-Produkten. „Damit würde es für Hacker schwieriger, Lücken in den Systemen zu finden und Daten zu stehlen.“ Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass persönliche Daten und Dokumente von Politiker*innen, Künstler*innen und Journalist*innen über Twitter verbreitet worden waren.
Systeme des Bundestags oder der Bundesregierung sind offiziellen Angaben nach aber nicht betroffen. Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik muss sich rechtfertigen: Dessen Chef Arne Schönbohm hatte in einem Interview behauptet, sein Haus habe bereits Anfang Dezember von dem Leck gewusst. Später musste er seine Aussage relativieren. Seehofer will die Öffentlichkeit bis Mitte der Woche umfänglich über den Fall informieren.
Domscheit-Berg warnte davor, den Fall mit einem der großen Hackerangriffe der Vergangenheit gleichzusetzen. „Der mit Abstand größte Anteil der veröffentlichten Informationen sind leicht zu recherchierende Daten“, sagte sie. Es handele sich um E-Mail-Adressen oder Handynummern. Nur von wenigen Personen seien Chatverläufe oder Fotos in Umlauf gebracht worden.
Wer steckt hinter dem Datenklau?
Domscheit-Berg wirft Twitter vor, die Informationen zu spät entfernt zu haben: „Solche Entscheidungen werden offenbar von schlecht trainierten Künstlichen Intelligenzen oder ungenügend qualifizierten Mitarbeiter*innen getroffen.“ Wer hinter dem Datenklau steckt, ist nach wie vor unklar. Es kursiert die Vermutung, dass es sich um einen Einzeltäter handelt und nicht um eine im Ausland vernetzte Hackergruppe.
Die Bundesregierung hat zur Aufklärung den amerikanischen Geheimdienst NSA um Hilfe gebeten – für Domscheit-Berg ein unsägliches Vorgehen. „Das zeigt, dass die NSA alles überwacht und dieses Vorgehen toleriert wird.“ Die Veröffentlichung digitaler persönlicher Daten wird auch als Doxxing bezeichnet.
Dabei werden Informationen über Menschen aus Datenbanken, Telefonverzeichnissen, sozialen Netzwerken oder auch passwortgeschützten Konten gesammelt und im Netz preisgegeben. Dahinter kann Selbstjustiz stecken, der Antrieb, Missstände aufzudecken, oder die Verunglimpfung von Einzelpersonen.
Gegen Hackerangriffe und Datenleaks vorzugehen ist schwierig, aber nicht unmöglich. „Betroffen sind dabei nicht nur Politiker und Prominente, sondern jeder, der online kommuniziert und Daten verbreitet“, teilte der Vorsitzende des Ausschusses Digitale Agenda im Bundestag, Jimmy Schulz (FDP), mit. Die FDP-Fraktion hat im November 2018 einen Antrag auf ein „Recht auf Verschlüsselung“ in den Bundestag eingebracht.
Starke Passwörter helfen gegen Datendiebstahl
Damit sollen Telekommunikations- und Telemedienstanbieter künftig per Gesetz dazu verpflichtet werden, ihre Dienste standardmäßig Ende-zu-Ende-verschlüsselt anzubieten. Doch auch ohne Gesetz kann jeder Einzelne sich besser gegen unerwünschte digitale Eindringlinge wehren. Zum Beispiel mit einem guten Passwortmanager und dem Einsatz unterschiedlicher Passwörter für Messenger, soziale Netzwerke oder E-Mail-Konten.
Leser*innenkommentare
tomás zerolo
Falsche Metaphern
Was mich an dieser Nummer am meisten ärgert ist die penetrante Verwendung falscher Metaphern:
* "Leck" suggeriert ein kleines Loch in einem ansonsten als geschlossen geschlossen konzipierten System;
* "Klau" suggeriert ein gesicherter Bereich (Wohnung, Hosentasche), in das jemand mit Geschick oder Gewalt eindringt;
* "Angriff" suggeriert ein System, das auf Verteidigung angelegt ist, das man versucht, zu überwältigen.
Dabei wurde, nach allem was bekannt ist, wohl nur in digitalen Mülltonnen gewühlt. Und ja, Facebook, Dropbox, Google Drive, O365 und wie die alle heissen *sind* digitale Mülltonnen.
Wer seine Kronjuwelen dort deponiert sollte sich nicht wundern, wenn später andere Leute damit herumlaufen.
Hanno Homie
Liebe Taz, ich finde es krass, dass Ihr einen Artikel über diesen Fall schreiben könnt, ohne ein einziges Mal das Wort "Datensparsamkeit" zu verwenden oder jemandem vom CCC oder AK Vorratsdatenspeicherung dazu zu interviewen?
Die Politik hat uns in den letzten Jahrzehnten derart viele Datentöpfe beschert in denen unsere Daten unfreiwillig landen ... Und sie möchten ja gerne immer noch weiter machen - s. Dorothee Bär u.v.a. ...
... da ist es vielleicht ganz gut, wenn Politiker das auch mal selbst spüren, was für ein Gift das ist dessen Produktion da zugelassen und gefördert wird.
Und dann: Ihr fragt zu dem Thema ausgerechnet A.D.-B.? Zum Thema Datenschutz? Ehrlich jetzt? Habt Ihr Euch mal die Mühe gemacht, ihre Vita durchzulesen? srsly, Taz?
m(
91672 (Profil gelöscht)
Gast
Was nun, Herr Seehofer?
ModeratorIn: 'Als Täter kommen eigentlich nur Putin oder die NSA in Frage (Maaßen kanns nicht gewesen sein, denn er ist ja pensioniert). Aber es ist zu bedenken, daß der berühmte Kanzleramtsminister Pofalla die Ausspähaktionen der NSA vor wenigen Jahren in Deutschland 'vom Tüsch' gefegt hatte. Also bleibt nur Putin. Und jetzt, Herr Seehofer, kommt noch das Problem hinzu, daß die FDP zur Zeit wieder um einen 'fairen' Partner wirbt, aber unbedingt die Verschlüsselung von Mails will. Und da springen die CSU und die bayerische Polizei traditionell natürlich an die Decke, bzw. an die Obergrenze. Und Herr Lindner sagt zu Recht: 'Lieber gut verschlüsseln, als falsch regieren'. Sehen Sie sich diesen Aufgaben und deren Lösung überhaupt noch gewachsen?'
Seehofer zögert lange und versucht geeignete Worte zu finden. 'Ahm ... Wissen Sie, wenn Sie ....'.
Aber leider ist die Sendezeit zu Ende.