Dieselgate in Deutschland: Jetzt sollen die Gerichte ran
Immer noch landen auf deutschen Straßen Dieselautos, die zuviel giftiges Stickoxid ausstoßen. Zwei Klagen von Ökoverbänden sollen das beenden.
Dabei decken die Klagen die Vergangenheit und die Zukunft von „Dieselgate“ ab: Der BUND schaut in die Zukunft. Er will erreichen, dass ab sofort keine neuen Autos verkauft werden dürfen, die die Stickoxid-Grenzwerte nicht einhalten. Das ist derzeit der Fall: nach einem Gutachten des Bundesverkehrsministeriums vom April 2016 erreichen 26 Modelle vieler Hersteller wie Audi, BMW, Dacia, Rover, Ford, VW, Mercedes, Opel, Peugeot statt des Grenzwerts von 80 Gramm pro Kilometer bei halbwegs realistischen Tests auf der Straße 160 Gramm bis über 1.100 Gramm.
Dennoch können diese Autos noch bis 2019 zugelassen werden. Nach Schätzungen des BUND sind das täglich 3.500 Autos, die legal eine Zulassung bekommen, obwohl ihre Grenzwerte illegal hoch sind. „Es kann nicht sein, dass diese Autos auf die Straße kommen“, sagt BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. Er verlangt ein „sofortiges Verkaufsverbot für diese Fahrzeuge“. In einer repräsentativen Emnid-Umfrage hätten sich kürzlich 58 Prozent der Befragten auch dafür ausgesprochen.
Die Deutsche Umwelthilfe wiederum greift die Rückrufaktion von VW an, mit der der Wolfsburger Konzern seine Schummelsoftware aus den Autos entfernt. Die DUH hat einen Golf nach der Nachrüstung bei einem Test auf der Straße nach Schadstoffen untersucht und ist fündig geworden: „Der Grenzwert wurde um den Faktor 3,3 überschritten“, sagt DUH-Expertin Dorothee Saar.
Nun will der Umweltverband das zuständige Kraftfahrbundesamt (KBA) zwingen,die Typgenehmigungen für diese Modell zurückzunehmen und die Autos praktisch stillzulegen. Als Alternative könne VW die Autos so nachrüsten, dass sie die Grenzwerte einhielten – oder VW solle den Kauf rückabwickeln und die Kunden entschädigen.
Illegale „Abschalteinrichtungen“
In dem Verfahren hofft die DUH auch auf eine richterliche Klärung einer zentralen Frage: Wie legal sind die Abschalteinrichtung, die fast alle Hersteller in ihren Dieselmotoren nutzen? Mit den sogenannten „Thermofenstern“ schalten die Autos angeblich zum Schutz des Motors die NOx-Reinigung ab – teilweise aber bei Temperaturen etwa unter 17 Grad, so dass nur in wenigen Fahrsituationen überhaupt die Abgase korrekt gereingt werden.
Anders als die Betrugssoftware von VW gelten diese Tricks bei Behörden, Ministerium und manchen Experten als legal – Umweltschützer und EU halten sie für illegale „Abschalteinrichtungen“. Das Verwaltungsgericht könnte diese Streitfrage nun klären.
Das Verwaltungsgericht in Schleswig und VW bestätigten den Eingang der Klageschriften. Das KBA lehnte eine Stellungnahme ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei