Die was bewegt haben (IV): Schwer in Ordnung

Eine Schülerin schrieb, dass sie nicht mehr „behindert“ genannt werden wolle. In Hamburg gibt es nun einen inoffiziellen „Schwerinordnung“-Ausweis.

Ein "Schwer in Ordnung"-Ausweis

Vorerst nicht amtlich: Der „Schwerinordnungausweis“ hat bundesweit Aufmerksamkeit erregt Foto: dpa

HAMBURG taz | Sie mag Mathe und Zirkus und tritt mit dem Diabolo auf. Sie reitet gern, trifft ihre Freundinnen aus der Mädchengruppe und schreibt Gedichte – ganz normal für eine 14-Jährige. Warum also steht „schwerbehindert“ im Ausweis? Hannah Ylva Kiesbye aus Pinneberg fand das doof. Sie überklebte das Defizit-Wort auf dem Plastikkärtchen mit dem neuen Namen „Schwerinordnungausweis“.

Darüber schrieb sie einen Text für Kids Aktuell, die Zeitschrift des Vereins Kids Hamburg, einem Kontakt- und Informationszentrum zum Thema Down-Syndrom: „Ich möchte das mein Ausweis umbenannt wird. Ich finde Schwerbehindertenausweis ist nicht der richtige Name für meinen Ausweis. Ich möchte lieber das der Schwer in Ordnung Ausweis genannt wird. Ich stelle mir vor: Ich hab mir einen Schwer in Ordnung Ausweis gekauft und jetzt stehe ich in Pinneberg an der Bushaltestelle und freue mich. Der Bus kommt, ich steige ein und zeige stolz meinen neuen Ausweis vor.“

Zufällig stolperte Marvin Ronsdorf über den Text. Der 27-Jährige kümmert sich um den Social-Media-Auftritt eines Fußball-Sponsoren und twittert auch privat gern und viel: Knapp 5.000 Follower lesen seine Kurznachrichten, darunter im Herbst den Verweis auf Hannahs Wunsch-Gedicht. In kurzer Zeit ging die Geschichte unter #schwerinordnung viral.

Überrascht von der Resonanz

Hannah und ihre Eltern waren zu dem Zeitpunkt im Urlaub. Die Familie war überrascht von den zahlreichen Reaktionen. Die emotionale Ansprache des Gedichts sei wohl für den Erfolg wichtig gewesen, sagte Hannahs Mutter Inge Kiesbye dem Pinneberger Tageblatt.

Hannah besucht die „Schülerschule Pinneberg-Waldenau“, die von einer Elterninitiative von Kindern mit und ohne Behinderungen getragen wird und seit 1985 auf gemeinsamen Unterricht setzt. Auf den Namen für ihren Ausweis kam sie, „weil eben „alle schwer in Ordnung sind. Egal, was für Besonderheiten sie haben.“

Die Idee der Schülerin hat – immerhin als symbolische Geste – Widerhall in der Hamburger Sozialbehörde erhalten: Ein Junge hat nach Hannahs Vorbild in der Hansestadt den Schwerinordnung-Ausweis beantragt, im November erklärte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), sie werde den Wunsch erfüllen und den Ausweis als „Begleitdokument“ erlauben. Allerdings bleibt der Schwerbehindertenausweis weiterhin das amtliche Dokument.

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