: Die nächste Opiumernte ist sicher
Taliban-Führer Mullah Omar hatte den Anbau von Schlafmohn verboten. Seit Beginn der britisch-amerikanischen Angriffe ist dieses Dekret Makulatur
aus Islamabad BERNHARD ODEHNAL
Mullah Mohammed Omar ist kein Mann des Wortes; lange Diskussionen sind nicht sein Stil. Wenn der Taliban-Führer einen Entschluss fasst, ist das in Afghanistan Gesetz. Anfang September verkündete Omar wieder einmal seinen Willen: Per Dekret verbot der „Diener des Islam“ seinem Volk, Schlafmohn anzubauen.
Das Dekret war einer der größten Erfolge des UNO-Anti-Drogen-Programms UNDCP in Afghanistan. Noch nie war ein Land bereit, so radikal gegen die Produktion von Suchtgiften vorzugehen. Afghanistan war bis zum Jahr 2000 der weltweit größte Produzent von Opium, das aus den Kapseln des Schlafmohns gewonnen und mit chemischen Zusätzen zu Heroin verarbeitet wird. 1999 wurden im Land 4.565 Tonnen Rohopium produziert, 95 Prozent davon auf dem Gebiet der Taliban.
Nächste Woche wird das UNDCP im Jahresbericht für die Anbau- und Erntesaison von Herbst 2000 bis Frühsommer 2001 völlig veränderte Zahlen präsentieren. In Afghanistan wurden in dieser Zeit nur noch 185 Tonnen Opium produziert, und das ausschließlich auf dem Territorium der Nordallianz. Die Taliban haben ihre Zusagen gehalten und den Mohnanbau gestoppt. Doch ihre Gegner, die Nordallianz, wollen nicht mit der UN-Drogenbehörde zusammenarbeiten: Amerikas neue Freunde im Norden Afghanistans finanzieren sich durch Drogenschmuggel in den Westen. Mullah Omars Dekret vom 3. September 2001 hätte das Opiumverbot zumindest um ein Jahr verlängert. Er wollte sich damit die Anerkennung durch den Westen erkaufen.
Nach den amerikanischen Angriffen ist das alles Makulatur. Bernard Frahi, Leiter des UNDCP in Islamabad, sieht die mühevolle Arbeit von Jahren zerstört: „Wir müssen jetzt wieder ganz von vorne anfangen.“
Das Jahr 2000 war für die afghanische Drogenmafia miserabel gelaufen. Die Taliban verboten den Anbau von Mohn, Pakistan machte Ernst mit der Jagd auf Schmugglerkönige. Dennoch meint Bernard Frahi, dass diese Maßnahmen im Westen „erst in drei bis vier Jahren“ greifen. Die Ernte der vergangenen Jahre war gut, die Opiumlager sind voll.
Der Krieg in Afghanistan hat die Preise kurzfristig durcheinander gebracht. Zwei Wochen vor den ersten Luftschlägen sanken die Preise für Heroinbasis, die durch chemische Zusätze aus Rohopium hergestellt und danach in Labors zu hochwertigem Heroin verarbeitet wird. An der afghanisch-pakistanischen Grenze war ein Kilo dieser Heroinbasis vor der Krise 2.000 Dollar wert, danach nur noch 300 Dollar. Eine völlig normale Reaktion des Marktes: Die afghanischen Händler waren durch die Krise verunsichert und warfen ihre heiße Ware auf den Markt, um sie schnell zu Geld zu machen. Dann schloss Pakistan die Grenze zu Afghanistan, der Schmuggel wurde schwieriger und teurer, der Preis am Markt in Peschawar stieg wieder an. Auf die Verbrauchermärkte im Westen, so Bernard Frahi, haben sich die Preisverschiebungen jedoch nicht ausgewirkt.
Ende Oktober ist in Afghanistan Zeit zur Aussaat. UNDCP-Chef Frahi fürchtet, dass in den Provinzen Kandahar, Nangarhar und Helman die Felder wieder mit Mohnsamen bestellt werden. Die Bauern waren vom Ersatz durch Weizen nie begeistert. Für sie war Opium eine sichere Währung. Mit Opium können Waren bezahlt und Kredite gesichert werden. Getreide hingegen können sie nur zur Mühle bringen – und bekommen gerade ein Drittel des Preises für Mohn. Das UNDCP wollte den Weizenanbau subventionieren, hat jedoch kein Geld. Im Jahr 2000 wurden alle Mittel für UNO-Programme in Afghanistan gestrichen.
Im Januar treiben die Pflanzen aus. Vielleicht haben die Taliban dann die Kontrolle im Land verloren. Aus der Provinz Kandahar, dem Hauptanbaugebiet für Schlafmohn, werden schon jetzt Kämpfe zwischen bewaffneten Zivilisten und Talibansoldaten gemeldet. Vielleicht wollen sie sich aber auch für ihren heiligen Krieg die Unterstützung der Bauern und Großgrundbesitzer sichern. Ob Mullah Omar oder ein anderes Regime die Macht hat – sicher ist: Zwischenhändler werden durchs Land fahren, den Schlafmohn begutachten und Termingeschäfte abschließen. Wer jetzt sät, wird im Februar Geld bekommen. Mitte April beginnt die Ernte. Eines haben die USA bereits erreicht. Afghanistan wird dem Westen wieder sehr viel Opium liefern.
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