: Die längste Nacht
ARD und ZDF meldeten sich mit großer Geste von den Wahlen aus Amerika – und verschnarchten den Krimi
Es werde ein „bis zum Ende spannender Krimi bleiben“, versicherte der ausgeruhte Moderator Peter Frey um 22.15 Uhr, als das ZDF mit seiner Berichterstattung von den Präsidentschaftswahlen in Amerika begann. Er sollte mehr Recht behalten, als ihm recht sein konnte.
Als nämlich die „Nacht der Entscheidung“ um 5.30 Uhr mit dem Morgenmagazin zu Ende ging, war noch immer nicht klar, wer denn nun die nötigen Stimmen in Florida erhalten würde. Und bei der mittags ausgestrahlten Sendung „USA-Wahl 2000 – Die Entscheidung“ konnten dem Publikum zwar viele bunte Grafiken, aber eben noch keine Entscheidung präsentiert werden. Auch die ARD konnte bis in die Morgenstunden das titelgebende Versprechen „And the winner is...“ nicht einlösen: Man hatte sich auf eine gemütliche Wahlnacht eingerichtet und wurde – wie auch amerikanische Sender – von den Entwicklungen überrollt. Gegen 1 Uhr nachts etwa wusste Claus Kleber aus dem Washingtoner Studio der ARD zu berichten: „Es ist sehr knapp, aber wir können jetzt schon sagen, das am Ende einer der beiden Kandidaten gewinnen wird. Ina?“ Doch Mitmoderatorin Ina Bergmann wusste sich nicht anders zu helfen, als zu den Vor-Ort-Reportern nach Texas und Tennessee zu schalten – die dann ebenfalls nichts beizutragen hatten. Für diesen Fall war Eva Hermann vorgesehen, die – warum auch immer – aus Los Angeles berichtete: „Hinter diesem Hügel soll Madonna wohnen!“ Beim familienfreundlich ZDF wurden die langen Wartepausen etwa mit affirmativen US-Propagandafilmchen überbrückt („Amerika, Land der unbegrenzten Freiheit“). Und während CNN erste Nachrichten von einem Sieg Al Gores in Florida brachte, strahlte das ZDF einen Spielfilm aus. Eva Hermann plauderte inzwischen auf einer Terrasse in L.A. – warum auch immer – mit Hannes Jaennicke. Der angekündigte Krimi wurde anderswo ausgestrahlt. ARNO FRANK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen