Die drei Musketiere im Kino: Prügeln für die Gerechtigkeit
Die Neuadaption „Die drei Musketiere – D’Artagnan“: Regisseur Martin Bourboulon setzt beim Mantel-und-Degen-Genre auf den Einsatz gezückter Waffen.
Im Frankreich des Jahres 1627 scheint ein Menschenleben nicht viel wert. Schnell ist es aufs Spiel gesetzt, wenn es Ehre, Ritterlichkeit oder Unvernunft gebieten: Die ersten Minuten der neuen Kinoadaption von Alexandre Dumas’ bekanntestem Werk sind purer Nahkampf.
Es wird gestochen, gehackt und gebajonettet, was das Zeug hält, und mitten durch das staubige, gewalttätige Frühbarock reitet der junge Gascogner D’Artagnan (François Civil) gen Paris, um königlicher Musketier zu werden. Beim chevaleresken Versuch, einer fremden „damsel in distress“ zu helfen, wird er überwältigt, für tot erklärt – und überlebt doch.
Dass D’Artagnan sich die Freund- und Kameradschaft seiner designierten Kollegen Athos (Vincent Cassel), Porthos (Pio Marmaï) und Aramis (Romain Duris) allerdings auch danach noch erarbeiten muss, weiß man aus dem Roman oder seinen über 30 Film-, Fernseh-, Serien-, und Opern-Adaptionen. Denn Dumas beschrieb im Jahr 1844 eine tiefe Freundschaft – und erdachte damit eine der erfolgreichsten Buddy-Storys.
Auch in Martin Bourboulons Neuinterpretation fordert das ungestüme und selbstbewusste Landei die Mitmusketiere zunächst zum Duell – um stattdessen später den „Einer für alle – alle für einen“-Schwur zu leisten, der den Bund über das Individuum stellt: Beim Versuch, die Treue zum König (Louis Garrel) zu beweisen, und Athos von einem (von Widersachern inszenierten) Mordverdacht reinzuwaschen, raufen die Musketiere (sich) zusammen.
„Die drei Musketiere – D’Artagnan“. Regie: Martin Bourboulon. Mit François Civil, Vincent Cassel u. a. Frankreich 2023, 121 Min.
Größtenteils humorlos
Und galoppieren degenschwingend von Frankreich nach England und wieder zurück, denn eine Diamantenkette, die die Königin (Vicky Krieps) ihrem britischen Liebhaber verehrte, muss schnell wieder um den royalen Hals. Doch der umstürzlerische Kardinal Richelieu (Eric Ruf) spinnt Intrigen, um die skandalöse Affäre auffliegen zu lassen …
Aus den vielen Themen in Dumas’ Werk hat sich Bourboulon nicht das interessanteste herausgesucht: Sein Film ist größtenteils humorloses, zuweilen brutales Mantel-und-Degen-Genre. Die bewegliche Kamera schickt er tief in düstere Kampfszenen, realistische Geräusche von Verletzungen sollen die Wucht der schnellen Schnitte unterstreichen.
Die Leichtigkeit der literarischen Vorlage, die Wort- und Schwertgefechte kunstvoll verknüpfte; den Übermut in George Sidneys charmanter 1948er Version; das Slapstickhafte und tänzerisch Choreografierte der Richard-Lester-Verfilmung 1973; oder das Spielerisch-Fantastische in der Adaption von 2011 sucht man vergeblich im neuen Film, der Auftakt einer Reihe sein soll.
Auch der Schalk Dumas’, der seinen hitzigen Gascogner mit Don Quijote verglich, oder die politischen Dimensionen des gebeutelten Frankreichs im 17. Jahrhundert schimmern selten durch. Stattdessen scheinen die Musketiere, die ihr Leben für König, Ehr’ und Vaterland wegschmeißen würden, recht zu bekommen: Prügeleien lohnen sich, denn nur durch sie erlangt man Gerechtigkeit.
François Civil in der Titelrolle darf dabei kaum Reiz entwickeln, sondern rauft sich eher blass am Rande der ambivalenteren, dankbareren Figuren Athos (unter Mordverdacht), Porthos (glücklich schwul) und Aramis (bigotter Frauenheld) entlang. D’Artagnans Handlungsmotivation ist die Liebe zu einer schönen Frau (Lhyna Koudri als Hofdame Constance) – und auch dieser Nebenstrang zieht sich bis zum ersten Kuss. Allein Milady de Winter (Eva Green) ist eine bezaubernde Antiheldin, die von Green mit gewohnt somnambulem Abgrund gespielt wird.
Es ist eben höchste Zeit, dass sich die „Sherlock“- und „Dracula“-Adapteure Steven Moffat und Mark Gatiss des Stoffs annehmen. Sie würden den Kampfhähnen schon den Staub und die toxische Männlichkeit aus den Rheingrafenhosen klopfen.
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