Die Wortkunde:
Dass der türkische Präsident Erdoğan davon spricht, SÄUBERUNGEN im Militär und Staatsapparat durchführen zu lassen, gibt Aufschluss über Gedankenstrukturen des nach absoluter Macht strebenden Präsidenten. Dabei kommen Assoziationen mit den stalinistischen Säuberungen der zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts auf.
Die sogenannte Tschistka richtete sich zunächst gegen ehemalige Mitstreiter Josef Stalins, die seiner Alleinherrschaft hätten gefährlich werden können, zwischen 1936 bis 1938 dann gegen große Teile des Funktionärsapparats der Partei, aber auch des Militärs, des Staats. Auch ausländische Kommunisten und einfache Leute wurden aus ihren Ämtern entfernt, in Gefängnissen zu Geständnissen gezwungen, ermordet oder ins Archipel Gulag zur Zwangsarbeit verbracht. Die dritte Welle der Tschistka richtete sich von 1948 bis Stalins Tod 1953 vor allem gegen die als kosmopolitisch eingeschätzten Juden. Schätzungen über die Zahl der Opfer während der gesamten Periode reichen von 4 Millionen bis zu 60 Millionen Menschen.
Der Begriff der „ethnischen Säuberungen“ aus den Jugoslawienkriegen (etnisce ciscenje) bezeichnet hingegen die Versuche der serbischen Führung ab 1991, in den eroberten Gebieten die dort ansässige, nichtserbische Bevölkerung zu vertreiben – durch systematischen Terror, Mord, Massenvergewaltigungen, den Aufbau von Konzentrationslagern und Deportationen. Der zunächst als Euphemismus geltende Begriff (Unwort des Jahres 1992) wird inzwischen rückwirkend auf historische Ereignisse angewandt.
Erich Rathfelder
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