Die Wochenvorschau für Berlin: Erinnern an Amadeu Antonio
Vor 30 Jahren starb Amadeu António Kiowa, totgeprügelt von Nazis, die unbehelligt von Polizisten agierten. In dieser Woche wird an ihn erinnert.
Diese Woche geschieht in Berlin einiges, das maximal mittelwichtig ist. Menschen werden sich aufregen, dass die Schule vor Weihnachten coronabedingt nun doch nicht ein paar Tage früher schließt und dass sie Weihnachten anders als in anderen Bundesländern nicht zu zehnt, sondern nur zu fünft werden feiern dürfen.
Andere Menschen werden sich freuen, dass am Freitag nach rund zehn Jahren Bauzeit nun endlich die Verlängerung der U5 an den Start geht und damit die Lücke zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor geschlossen wird. „Wir werden am 4. Dezember diese Strecke eröffnen, dem Tag der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute und der Tunnelbauer“, hat Rolf Erfurt gesagt, der Betriebschef der Berliner Verkehrsbetriebe.
Aber auch sehr relevante Anlässe stehen dieser Tage im Kalender. Denn am kommenden Sonntag, am 6. Dezember vor 30 Jahren, starb 50 Kilometer nördlich von Berlin, in der verschlafenen Kleinstadt Eberswalde, Amadeu António Kiowa, ein 28-jähriger Mann, der als Vertragsarbeiter aus Angola in die DDR gekommen war. Er war bereits am 24. November 1990 von einer Gruppe Nazis brutal zusammengeschlagen und schwer am Kopf verletzt worden. Während der Tat waren Polizisten in der Nähe, die nicht in das Geschehen eingriffen; eine Anklage gegen sie wurde später vom Gericht zurückgewiesen.
Die Tat gilt als Wendepunkt
Der Mord wird allgemein als Wendepunkt bewertet. Anwalt Ronald Reimann, der die Familie des Opfers vertrat, berichtet bis heute anschaulich, dass der Richter damals nichts gegen die Skinheads mit Springerstiefeln im Gerichtssaal unternahm. Der Fall macht mehr als deutlich, dass es sich bei diesen Gewaltexzessen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR um weit mehr als harmlose Jugendkrawalle handelte.
Oft ist der Fall Amadeu António Kiowa reflektiert worden – die Erinnerung an seine Ermordung hat bis heute kaum an Relevanz verloren. Sicher wird das auch das Thema sein bei einer Onlinediskussion am Donnerstag um 10 Uhr unter dem Titel „Rechter Hass: Wie wachsam sind Justiz und Zivilgesellschaft?“ Unter anderem nehmen teil Ines Karl, Oberstaatsanwältin und Leiterin der Berliner Zentralstelle für Hasskriminalität, und Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung.
Die Aufarbeitung der Schicksale der 90.000 VertragsarbeiterInnen der DDR, die wie Amadeu António Kiowa selten studieren oder lernten durften, was sie wollten, die völlig isoliert von der Gesellschaft in Wohnheimen mit rigiden Ausgangs- und Besucherregeln lebten, die weder heiraten noch Familien gründen durften und deren Aufenthaltsstatus nach der Wende völlig ungeklärt war, steht gerade mal am Anfang. Und der zivilgesellschaftliche Rückhalt für rechte Gewalt in den neuen Bundesländern oder auch rechtsextreme Tendenzen in der Polizei: Diese Themen sind heute brisanter denn je.
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