Die Wochenvorschau für Berlin: Heimat ist kein Ort
Die Zukunft des Checkpoint Charlie soll erörtert werden, Südseeboote landen im Humboldt Forum, am Wochendende gibt es noch viele andere Ideen.
Wer das Pech hat, in der Nähe vom Checkpoint Charlie wohnen oder arbeiten zu müssen, der kann sich nicht immer ganz dagegen wehren, dass gewisse Aversionen gegen Touristen hochkochen. Denn am Checkpoint Charlie befindet sich eines der erfolgreichsten Berliner Museen: Es lockt auf überschaubaren 1.700 Quadratmetern 850.000 Besucher pro Jahr. Doch der Platz ums Museum herum schwindet, die letzten Brachen werden verbaut, es wird dichter.
Insofern ist es nichts Falsches, wenn sich in dieser Woche die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen im Rahmen eines Partizipationsprozesses namens „Zukunft Checkpoint Charlie“ über die Befindlichkeiten der Berliner schlau machen will. Das Ganze geht schon am heutigen Montag los, Ortsbegehungen ab 16.30 Uhr (Treffpunkt Friedrichstraße/Zimmerstraße), die Auftaktveranstaltung ab 18 Uhr im Asisi Panorama Berlin (Friedrichstraße 205).
Loch im Beton
Die Befindlichkeiten zahlreicher Berliner standen ebenfalls im Mittelpunkt, als Anfang 2017 in Dahlem das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst ihre Türen schlossen, um den Umzug ins umstrittene Humboldt Forum vorzubereiten. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang über die Südseeboote geheult, die berühmten, die beliebten Südseeboote. Insofern wird es vermutlich ein durchaus emotionaler Moment, wenn am Dienstag ab 8.30 Uhr endlich das erste Südseeboot ins Humboldt Forum im Berliner Schloss gehoben wird, verpackt in einer etwa 18 Meter langen Kiste.
Und auch wenn die Herkunft dieses wie der darauf folgenden Boote angeblich ebenso erforscht wie unproblematisch sein soll: Die Berliner werden mit Sicherheit fragen, warum das Loch, das eigens für die Boote im Beton des Humboldt Forums offen gelassen wurde, nach deren Ankunft unbedingt wieder zugemauert werden muss. Wäre es nicht ein hübsches Zeichen, im neuen kulturellen Stadtquartier in der Mitte Berlins, das wie kein anderes für Weltoffenheit stehen soll, das Loch einfach offen zu lassen? Und wäre es nicht ein noch hübscheres Zeichen, wenn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auch mal beim Humboldt Forum nachhaken würde, wie gefragt sich eigentlich die Berliner hier noch fühlen? Immerhin visiert das Humboldt Forum drei Millionen Besucher jährlich an.
Aber vielleicht ist es ja auch müßig, sich auf aktuellen oder werdenden Rummelplätzen wie diesen überhaupt noch zu Hause fühlen zu wollen. Vielleicht sollte man sich in Zeiten von Echokammern und Populismus ohnehin davon verabschieden, diffuse Sentimentalitäten an Örtlichkeiten zu hängen.
So jedenfalls schlägt es das Auswärtige Amt vor, das am 1. Juni in ganz Berlin zur Langen Nacht der Ideen lädt. Das heißt, es wird auch um einen neuen Heimatbegriff gehen. Im Kunstquartier Silent Green in der Weddinger Gerichtstraße diskutieren etwa der britische Autor, Filmemacher und Historiker Tariq Ali mit Naika Fouratan und Manuela Bojadžijev vom Berliner Institut für Integrations- und Migrationsforschung über den Phantomschmerz Heimatverlust. Und in der Schinkelschen Bauakademie slammen und diskutieren muslimische Dichterinnen mit Archäologinnen zum Thema, dass sich Heimatgefühle schon vor Jahrtausenden eher über Sitten und Gebräuche transportierten als über Orte.
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