Die Wochenvorschau für Berlin: Die Reste vom Feste
Jetzt schnell die Kurve kriegen von besinnlich zu besoffen: Silvester naht. Um die Party am Brandenburger Tor bleibt es dabei erstaunlich still.
Die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester ist eine merkwürdige Zeit: nicht mehr Feiertag, aber der gewöhnliche Alltag hat uns auch noch nicht so richtig wieder. Die Kinder haben Ferien und essen im Schlafanzug Weihnachtsmannschokolade zum Frühstück. In den Büros ist die Belegschaft kleiner, der Feierabend kommt mitunter ein Stündchen früher – so handhaben wir es zumindest in der Berlin-Redaktion der taz. Die Reste vom Feste: das bretthart gewordene Lebkuchenhaus und eine verkürzte Arbeitswoche.
Und dann braucht man diese Woche schließlich auch noch, um die Kurve von besinnlich zu Silvester zu kriegen. Was auffällig ist: Niemand interessiert sich dieses Jahr für „DIE Silvesterparty“ (Programmankündigung des übertragenden Fernsehsenders) am Brandenburger Tor.
Niemand ist in dem Fall die einschlägige Tagespresse, die ihren Artikeln aus dem vergangenen Jahr zu schärferen Einlasskontrollen, mehr PolizistInnen und Betonpollern an den Eingängen zu DER Party offenbar nicht viel hinzuzufügen hat. Wenn ein kurzer Rückblick in diesem Ausblickstext erlaubt ist: The show must go on, das ist wohl das, was bleibt, unterm Strich, im Jahr eins nach Anis Amri – insbesondere auch nach den kürzlichen Gedenkfeiern zu einem Jahr Breitscheidplatz-Attentat, die viel mehr als die Normalbevölkerung die Medien und die Politik beschäftigten.
Und das klappt ja auch ganz gut, mit der Show, und besonders auch zu Silvester. Denn selbstverständlich werden auch in diesem Jahr wieder ein paar Hunderttausend den Boulevard Unter den Linden füllen und Bands wie Rednex und Oli P. das lange zurückliegende Ende ihrer Karriere vergessen machen.
Das ist natürlich ein völlig legitimer Spaß, zumal die Hochkultur ohnehin erst einmal ausfällt. Zumindest an der Deutschen Oper ist bis Silvester der Kartenvorverkauf ausgesetzt – eine Sprinkleranlage hatte sich Heiligabend verselbstständigt und die Bühne unter Wasser gesetzt. Das Staatsballett tanzt Mittwochabend deshalb nicht, danach werde man weitersehen, heißt es.
Also womöglich doch lieber böllern statt „La Bohème“. Zum Glück erst ab Donnerstag kann man Knallerbsen und Erschrecklicheres käuflich erwerben. Doch Obacht, dass keine illegale Pyrotechnik zwischen die Wunderkerzen rutscht, wovor auch das Brandenburger Innenministerium bereits warnte: Die fielen unter die pyrotechnische Kategorie P1 und seien zum Beispiel dazu gemacht, wilde Tiere fernzuhalten (und nicht den Nachbarn). Frohes Neues!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid