Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Mehmet Scholl trägt den Titel „Don Quichotte von la Mannschaft“, die USA sorgen sich um Hillarys Mails und der AfD wachsen ständig neue Köpfe.

André Poppenburg, Frauke Petry und Jörg Meuthen

Funktioniert wie die Hydra: die AfD Foto: imago/Mauersberger

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Mehmet Scholl trägt fortan den Ehrentitel „Don Quichotte von la Mannschaft“.

Und was wird besser in dieser?

Ich staune selbst: mal kein Fußball.

Tony Blairs Entscheidung zum Krieg im Irak soll völkerrechtlich ­mindestens fragwürdig gewesen sein. ­Welchen politischen ­Entscheidungen der vergangenen Jahre wünschen Sie eine so umfassende Untersuchung?

„Da haben wir unsere Flugzeuge, unsere Tornados, nach Serbien geschickt, und die haben zusammen mit der Nato einen souveränen Staat gebombt. Ohne, dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.“ Glattes Geständnis von Altkanzler Schröder 2014 zum Bruch des Völkerrechts. Es gab damals Strafanzeigen – immerhin ist schon die „Vorbereitung zum Angriffskrieg“ vom Grundgesetz unter Strafe gestellt. Sie wurden als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Dazu gab es keinen Untersuchungsausschuss, und die heutige Opposition wäre zu klein – und Fischers Grüne zu beteiligt –, einen zu erzwingen.

Nach dem Brexit hat Sahra Wagenknecht mehr direkte Demokratie ­gefordert. Ein kalkulierter Denkfehler oder ein Fehler in der Kalkulation?

Ein hübsches Paradoxon: Die Forderung nach Volksentscheid ist populärer als seine möglichen Ergebnisse. „Stuttgart 21“ brachte eine unbefriedigende Befriedung der Lage; die Direktwahl des österreichischen Bundespräsidenten ermutigt nicht. Auch die Freunde der „Brexit“-Abstimmung soffen den Rausch der Volkstümlichkeit, nun dilettieren sie mit dem Resultat. Mehrheitsfähige Anliegen der Linken, „Weniger Kriegseinsätze“ – „Auch mal fair zu Putin sein“, klingen nicht so richtig abstimmbar. Und politische Aufrichtigkeit hieße zuzugeben: Auch Wähler der Linken wären bei Pegida-Themen lose Kanonen im Wahllokal. Kompromiss: Volksabstimmung über Volksabstimmungen. Bild macht dazu drei Gratiszeitungen, und das Thema ist vom Tisch.

Meuthen gegen Petry und ihre AfD: Schafft die Partei sich jetzt selbst ab oder sollten wir uns nicht zu früh freuen?

Bisher hat es eher was von einer Hydra, der stets Köpfe nachwachsen. Petry und ihre Hydranten sind, siehe „Piraten“ und die frühen Grünen, eine politische Selbsterfahrungsgruppe. Kritische Nachfragen, Intrigen, mediale Reichweite begegnen ihnen zum ersten Mal. Sie wollen nach oben, und nun regen sie sich erst mal auf, wie es da oben aussieht. Emporkömmlinge. Üblicherweise folgen auf gefrustete Amateure geschmeidige Profis. Wir werden uns noch nach der Zeit zurücksehnen, da Tourette-Trixi mit ihrer behandlungsbedürftigen Geltungsneurose rumstorchte.

Hillary Clinton wird ihre E-Mail-­Affäre einfach nicht los: Das FBI will sie zwar deswegen nicht anklagen, dafür prüft das Außenministerium jetzt wieder. Ist der Streit über ihren sorglosen Umgang mit ­dienstlichen Mails Kindergeburtstag oder ein Fehler, den es zu ahnden gilt?

Immerhin scheint es in den USA einen Fall zu geben, bei dem man sich für Datensicherheit interessiert.

„Nein heißt Nein“, hat die Bundesregierung beschlossen. Was wird sich dadurch ändern?

Nein ist eine klare Antwort. Doch wie war noch mal die Frage? Im populistischen Eifer marschierte die Groko gleich durch zur Kollektivhaft – für Übergriffe soll auch der haften, den man der Gruppe des Täters zurechnet. Das war schon bescheuert, als Atomkraftgegner so eingeschüchtert wurden. Ausweisungen sollen bei entsprechenden Straftatbeständen beschleunigt werden – da sieht frau sich jäh beim Ausländerfeind untergehakt, und dies oft ohne ihren erkennbaren Willen.

Fazit: Was von dem, was in der Kölner Neujahrsnacht verbrochen wurde, war nicht da auch schon verboten? Und: Ist das Gericht im spektakulären „Fall Lohfink“ nun noch unabhängig oder nur noch Freisprechanlage? Im Hintergrund wabert ein Bild vom Mann als dem drängenden Aufnötiger von Sex und der Frau als der bedrängten Passiven. So isses, bei manchen.

Die Suche nach einem Endlager für atomaren Restmüll geht in die nächste Runde. Ihr Tipp: Welcher Ort wird die Nase vorn haben?

Keiner, denn die Kommission hat bei allen Kalamitäten vor allem eines hinbekommen: Sie hat die Rückholbarkeit zur ausschließenden Bedingung gemacht. Und was man zurückholen kann, ist kein Endlager. Da mag alter Ingenieursaberglaube ­mitschwingen, dass man in ferner Zukunft aus Atommüll eitel Blumendünger machen könne. Doch auch der Anstand, eine Lüge zu beenden. Gesucht wird also nun ein Langzeitzwischenlager.

Apropos: Hat die Tour de France ­eigentlich schon angefangen – oder hat nur keiner zugeguckt?

Etappensieger Froome saß bei Tempo 100 auf dem Oberrohr knapp vor dem Lenkervorbau. Und widerlegte die Faustformel „Du kannst ein Rennen bergab nicht gewinnen, nur verlieren“. Da sollte niemand zugucken. Im Ernstfall bräuchten die Ärzte die erste Stunde, um das Rad aus dem Fahrer zu operieren.

Die Sächsische Zeitung will künftig stets die Nationalität von Straftätern und Verdächtigen nennen. Und ­verabschiedet sich damit von den ­Regelungen im Pressekodex. Ein Einknicken vor den Wutbürgern?

Der Kölner Express schreibt von „Nafris“, wenn „zum berichteten Vorgang ein begründbarer Sachbezug besteht“. So der Wortlaut des Pressekodex. Diese Abwägung nicht mehr treffen zu wollen ist ein bisschen faul und bequem. Oft würde mich das Monatseinkommen von Tatverdächtigen mehr interessieren als ihre Religion oder Großeltern. Immerhin sucht sich jede Gesellschaft ihr Prekariat selbst aus, und wir haben den undankbaren Job armen Leuten von woanders gegeben. Es ist ein Umweg zu warten, bis wieder arme Biodeutsche mehr Verbrechen begehen, um dann über Sozialpolitik zu diskutieren.

Und was machen die Borussen?

Draxler, Neuer, Höwedes, Sané – gefühlte vier Schalker, kein Dortmunder im deutschen Team. Tja.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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