piwik no script img

Die WocheWie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die USA wollen an Russlands Grenzen vorrücken, Gauck erinnert an seinen Amtsvorgänger Wilhelm II und Alice Schwarzer gibt ihre Kernthese auf.

Die streng geheime Schönheit des Ruhrgebiets. Bild: dpa

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Das Feuilleton erregt sich im Niemandsland zwischen Petition und Petitesse.

Und was wird besser in dieser?

Vor den nächsten Kriegseinsätzen sollten wir nochmal sehr kritisch über Markus Lanz diskutieren. Oder das Wetter.

Der Trend geht zur Steuerhinterziehung: erst Uli Hoeneß, dann Theo Sommer, jetzt Alice Schwarzer. Auf welche moralische Größe ist noch Verlass?

Na ja, Günther Grass könnte immerhin vorbringen, schon seinen Sold bei der SS ordentlich versteuert … egal. Schwarzers Kernthese, das Private sei politisch, reibt sich nun auf ihrer Homepage mit ihren Anwürfen gegen „Denunzierung“ und ihrer Forderung, ihr Steuerbetrug sei Teil ihrer „Privatsphäre“. Ein schöner Tag bei Kachelmanns daheim.

Am Wochenende fand in München die 50. Sicherheitskonferenz statt. Im Vorfeld traf sich US-Außenminister John Kerry mit den ukrainischen Oppositionsführern Vitali Klitschko und Arseni Jazenjuk. Der Kreml schimpfte, das sei ein „Zirkus“. Clowns oder Hochseilartisten?

Die Ukraine zum Thema einer Militärkonferenz zu machen ist so clever, wie mit offener Hose und Schnapsfahne bei den Brauteltern um die Hand anzuhalten. Die EU möchte die Ukraine einsacken, dafür scheint Klitschko ihr Mann. Die USA wollen die Nato – und damit letztlich ihre Waffen – bis an die Grenze der Ukraine zu Russland vorschieben. Wie bescheuert müssten die USA sein, nett zu gratulieren, wenn die Russen ihrerseits ihr Waffenarsenal und einen verdienten Preisboxer nach – sagen wir mal – Kanada brächten? Es ist das eine, Gorbatschow als Heiligen zu verehren – und das Gegenteil, im übernächsten Zug die Waffen bis vor Moskaus Haustür zu schieben. Putins Wort vom „Zirkus“ hat einen dezent römischen Beiklang.

Was haben wir gelernt aus drei Tagen Sicherheitskonferenz?

Zum hundertsten Jubiläum der Rede seines Amtsvorgängers Wilhelm II. haut unser aktuelles Staatsoberhaupt eine modische Coverversion raus: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Verantwortung. Gauck dröhnt vom „besten Deutschland, das wir je hatten“ – ein Widerspruch in sich. Denn wäre dieses Deutschland gut, hätte es einen Repräsentanten, der sich lieber die Zunge abbeißen würde, als so zu prahlen. „Eine fundamentale Neuorientierung der Außen- und Sicherheitspolitik“, verbrämt Gauck sein „Germans to the front“. Ein trockener Alkoholiker beim Überfall aufs Schnapsregal wäre froh, so schöne Worte dafür zu finden. Warum gibt es Petitionen gegen Hinz, Kunz, Lanz und Schwanz – und dieser toupierte Dompfaff darf unter allseitigem Applaus seine Landsermelodien tirilieren?

Endlich haben wir Whistleblower Edward Snowden im Bewegtbild gesehen. Ganze 30 Minuten des sechsstündigen Interviews wurden in der ARD ausgestrahlt. Wo ist der Rest?

Da schweigt des Sängers Höflichkeit, auch wenn die ARD drum herum zur originellen Programmierung, zur Netzblockierung ausführlich und differenziert Stellung genommen hat. Spekulation: Wenn ich einen Interviewgast vor sich selbst schützen müsste – oder gar die Sendeversion nochmal abnehmen ließe –, bewegte ich mich außerhalb der journalistischen Hygiene. Vorsichtig formuliert. Dick drüber reden würde ich jedenfalls nicht. Und, sorry, bei allem auch verständlichen Bashing: Welche Ministerpräsidenten und Kabinettsmitglieder wurden denn jetzt noch abgehört? Welche Firmengeheimnisse ausgespäht? Würden die geschätzten KollegInnen sich ggf. auch mit dem Inhalt des Interviews noch befassen wollen?

Die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder hatte ein Bundesprogramm gegen Linksextremismus vorgelegt. Das wurde nun abgelehnt. Gefahr im Verzug?

Die „Extremismusklausel“ wurde gestrichen; wer sich also für Jugendliche engagiert, muss keine Kotau-Erklärung mehr unterschreiben. Das Programm selbst lancierte sie 2010, kurz bevor die Zwickauer Mörderbande aufflog und so die Dringlichkeit ihres Kampfes gegen Linksextremismus sacht hinterfragte.

Und was machen die Borussen?

Einer der schönsten Stadtteile Dortmunds liegt woanders, nämlich in Herdecke. Er heißt Ahlenberg und dort könnte man Freizeitangebote wie „Klingelmännchen bei BVB-Spielern“ oder „Architekten verklagen“ organisieren. Allerdings unterliegt diese kleine Schweiz zwischen Wäldern, Harkortsee und Golfplatz wie alle Schönheiten des Ruhrgebiets strengster Geheimhaltung. Sonst kommen alle.

Fragen: FMP

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Oho und aha, nicht nur zensiert, sondern wechgemacht - wenn es an den Kern des Populismus geht, da sind die journalistischen Landser dieser Welt- und "Werteordnung" sich natürlich einig mit jedem ihresgleichen, oder glaubt ihr wirklich das Christentum ist wahrhaftig und braucht deshalb absoluten Schutz :-)

     

    "Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition." (Johann Nepomuk Nestroy)

  • R
    Ridicule

    mailmotten an Rhein und Ruhr? 2.0

     

    SM Gauck de Gauch

     

    ja er ist nicht der einzige

    Kuckuck in 'schlands Nest.

     

    Prahlhänse und

    Winkelemente gibt's auch -

    leidlich weiblich

     

    und nicht angekommen in dieser

    res publika!

     

    Danke

  • S
    Salz

    " ... Warum gibt es Petitionen gegen Hinz, Kunz, Lanz und Schwanz – und dieser toupierte Dompfaff darf unter allseitigem Applaus seine Landsermelodien tirilieren? ..."

    Weil Petitionen gegen Hinz, Kunz, Lanz und Schwanz die Mehrheit der Bevölkerung mehr interessieren.

    Gauck hat nie reflektiert, dass sein Vater hoher Nazi zu Hitler-Zeiten war. Ein Problem!

    Gauck scheint den Militarismus zu verehren, mit Blick auf seinen Vater und dessen im zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen.

    Vielleicht wütet Gauck deshalb so gegen die Ukraine und gibt den Militaristen in Reinform.

  • "und dieser toupierte Dompfaff darf unter allseitigem Applaus seine Landsermelodien tirilieren?"

    Treffend formuliert. Applaus meinerseits.

    • F
      Frank
      @vic:

      Ich schließe mich an: Treffend formuliert!

  • KM
    Küppi, my man!

    Herr Küppersbusch, Hut ab! Niemand bekommt den alltäglichen Wahn- und Blödsinn so hübsch in Worte ornamentiert wie Sie. Da wandert das im Halse steckengebliebene Lachen sogleich weiter ins Zwerchfell.

    Immer wieder - leider - eine wahre Freude.

  • M
    Michael

    "Zum hundertsten Jubiläum der Rede seines Amtsvorgängers..." - danke, ich wäre nicht drauf gekommen, so schnell geht einem vor Ärger der historische Zusammenhang abhanden. Man darf gespannt sein, was der "toupierte Dompfaff" am 4. August 2014, dem tagesgenauen Jubiläum der Rede Wilhelm II von sich gibt...