Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Politiker mit Selfiestangen, Sorry für Nordirland, und Franziskus schickt Mohammed in die Grundschule.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche?
Friedrich Küppersbusch: Manchmal reicht es ja, wenn alles so kommt, wie es zu erwarten war.
Was wird besser in dieser?
Können wir doch noch bundeslandweise über die Wiedervereinigung abstimmen?
„Tagesschau“-Chef Gniffke ist in der letzten Woche wegen Inszenierungsvorwürfen zu seiner Berichterstattung richtig wütend geworden. Ist es, wie er behauptet, immer eine Inszenierung, wenn sich Politiker vor eine Kamera stellen?
Es ist eine Kumpanei längs der Devise „Du willst es doch auch“. Und fängt im Lokalblatt an: Taubenzüchter, Kegelbrüder, Feuerwehren stehen da in einem offensichtlich sinnfreien Ritualhalbkreis, der zweckmäßig nur dem örtlichen Gesangsverein wäre. Die Abgebildeten wollen alle in die Zeitung; die Zeitung möglichst viele mögliche Käufer abbilden. Je Stadtteilbeilage, desto skurriler auch die „machten sich vor Ort ein Bild von der Lage“-Fotos des Bezirksausschusses. Tatsächlich machen Messtischblatt wedelnde Wichtigs und der Fotograf uns ein Bild von einem Bild von der Lage.
Viele Etagen drüber das „Arbeitsfoto“, wo Siggi Gabriel hinterrücks Andrea Nahles einen Kaffee einschenkt, während sie mit von der Leyen scherzt: Diese Fotos entstehen in den ersten Sitzungsminuten, um authentischer zu wirken als die Mannschaftsbilder. Eine Inszenierung anstelle der Inszenierung. Hier spätestens hat sich das Mitwissen des Zuschauers verflüchtigt. Hier geht augenzwinkernde Mitwisserschaft in Trug über. Und Gniffkes These von der Selbstverständlichkeit der Inszenierung in die Irre.
Der „Hubwagen“, der beim Pariser Promigedrängel Draufsicht und damit Entzauberung ermöglicht hätte, wird im gleichen Moment diskutiert, da man sich unter „bunter Rauswerfer“ über „Selfiestangen“ fröhlich macht. Die hätte genügt. Die Debatte darüber, und auch dass Gniffke sie polemisch führte, brachte Aufschluss. Übrigens müssen wir mal mit diesem da Vinci ein medienkritisches Wort über sein „Abendmahl“ reden.
Die Muslime werden zu einer Distanzierung von den Hebdo-Attentätern aufgerufen. Haben Sie sich als Deutscher bereits von den Morden des NSU distanziert?
Mir träumte von einer Verhaftungswelle wie der jetzigen nach dem ersten NSU-Mord. Bevor ich mich nun als Christ für die Jahrzehnte der Metzelei in Nordirland entschuldige – das Wort dem Papst: „Uns erstaunt das, was da gerade passiert. Aber wir müssen auch an unsere eigene Geschichte denken. Wie viele Religionskriege haben wir gehabt!“
Hier lauert auch der Nebenunsatz des Jahres vom „Islam, der die Aufklärung noch vor sich“ habe: Erstens erklärt hier der Hochleistungschrist, der bärtige Lümmel Mohammed müsse nun aber bald mal in die Grundschule. Und zweitens: Es verführt zu glauben, wir hätten schon alles sowieso aufgeklärt verstanden. Und führten Kriege aus selig machenden Gründen.
In Dresden, wo jeden Montag 20.000 Xenophobe auf die Straße gehen, wurde der Flüchtling Khaled Idris Bahray ermordet. Ist da ein rassistisches Motiv so abwegig?
Abwarten. Die örtlichen Ermittler haben eine Coverversion der schweren Fehler bei den NSU-Ermittlungen gemacht. Das sollte unabhängig von „Pegida“ nicht mehr möglich sein. Das Stattfinden linker Demos wurde im „deutschen Herbst“ gern auch in ursächlichen Zusammenhang mit RAF-Terror gebracht; wir haben diese Gleichsetzung gehasst. Und viele Jahre später erwies sich die Stasi als Miturheber, nicht Anti-AKWler und Friedensbewegte. Abwarten.
Im schwedischen Kinderfernsehen wurde ein Musikvideo mit tanzenden Geschlechtsteilen gezeigt. Kümmern sich unsere Öffentlich-Rechtlichen zu wenig um die Aufklärung der Kinder?
Ich finde die schwule WG von Ernie & Bert auch klasse.
Nach den Morden an Charlie-Hebdo-RedakteurInnen wird die Vorratsdatenspeicherung wieder zum großen Thema. Schützen Daten vor terroristischen Anschlägen?
Nach kriminalistischer Logik: Es schützt vor Folgeverbrechen. Nach einer ersten Tat greift man in den Datenvorrat der Täter und hofft, dort Hinweise auf mögliche weitere Anschläge rechtzeitig zu finden. Es schützt also nicht vor der Ausgangstat, sondern es geht um so etwas wie „nachträgliche Vorbeugung“. Übrigens meint die GroKo, man solle von „Mindestspeicherfrist“ sprechen, das klingt mehr nach leckerer Kühltheke.
Und was machen die Borussen?
Beim Testspiel gegen Bukarest wechselte der BVB acht Spieler aus – ein verheißungsvolles Konzept für die Rückrunde.
FRAGEN: QL, JSP
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