Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Kippa im schwarz-gelben Borussen-Design, ein isolierter Horst und die AfD im Zeitungsgewand. Denn Merkel ist die „Bild“ lieber als die AfD.
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Bei den Meldungen über den Mord an Boris Nemzow kamen oft die Vermutungen vor der Nachricht.
Und was wird besser in dieser?
Ohne alle Deutungen ist die Nachricht auch traurig.
Horst Seehofer sprach sich gegen den bereits beschlossenen Steuerbonus für die Gebäudesanierung aus – angeblich, um den Handwerkerbonus nicht zu gefährden. Ist er der Held des kleines Mannes?
Immerhin ist Horst, die lose Kanone, jetzt prima isoliert. Beim Blick hinter diese Fassade allerdings war der Deal „mehr Dämmstoff, weniger Handwerk“ verdächtig nahe an einem Durchmarsch der Styropor-Lobby. Umweltministerin Hendricks tremoliert schüchtern, Energieeinsparung fange bei Dach und Heizkeller an. Und verteilt dann die lobbyfinanzierte Broschüre „Die Hauswende“. Kurz: Seehofer blockiert eine Milliardensubvention für die Stinkstoffindustrie. Das hat er nicht gewollt.
Joseph Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, rät, in manchen Stadtvierteln zur Sicherheit keine Kippa zu tragen. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin verschickt ihre Zeitschrift nur noch im neutralen Umschlag. Wo führt das hin?
Nach Dortmund, wo die Nazitarnkappe „Die Rechte“ Rat und Verwaltung mit einer Anfrage besudelte, nach Stadtteilen aufgegliedert die Zahl der jüdischen Bewohner auszuweisen. In den meisten dieser Stadtteile müsste man mühselig erklären, was eine Kippa ist – einerseits. Andererseits zeigte die Stadt mit der standrechtlichen Forderung nach Parteiverbot und fraktionenübergreifender Freude am „Aufblühen der jüdischen Gemeinde“, wie viel oder wenig man tun kann. Für nichtjüdische Deutsche wirkt es anmaßend, jetzt demonstrativ mit Kippa rumzulaufen. Wobei ich die in Schwarzgelb im Fanshop niedlich fände. Mutprobe?
Die Fußball-WM in Katar soll 2022 im Winter stattfinden. Womit könnte sich der Weltfußballverband Fifa noch unbeliebter machen?
Wie sollte ich das Credo „kaufen statt laufen“ bei Katar doof und beim FC Bayern okay finden? Carolin Emcke, die Aubameyang der Süddeutschen, macht den blitzgescheiten Vorschlag, die Sponsoren gängig zu machen: Findet man nicht einen Nike, Coca-Cola, Adidas oder Carlsberg, der wegen der versammelten Unmenschlichkeiten um sein Renommee fürchtet und ein Engagement dort ablehnt? Man schaut identitätskrisengeschüttelt an sich herunter und staunt: meine letzte Hoffnung – Moral in der Wirtschaft. Na ja, eher als in Katar oder Fifa. Übrigens könnten wir mal dazu übergehen, Fifa kleinzuschreiben. Sehr klein.
Leonard Nimoy alias Mr. Spock ist gestorben. Was – außer den Fingern – bleibt von ihm?
Das mit den Fingern ist fies, wenn ich schon mal was nachmachen kann, ist es popkultureller Ramsch, und die Enkel werden denken, jetzt dreht Opa wieder ab. Der Charakter des Menschenähnlichen mit höherer Intelligenz wirkt fast possierlich gegen heutige Debatten, ob sich die „künstliche Intelligenz“ noch lange mit uns Bioballast aufhalten wird. Vor den Autoren von „Enterprise“ kann man niederknien, vor dem Caster, der Nimoy fand, auch.
Die Bild hetzt mal wieder mit ihrer „Nein zu Milliarden“-Kampagne gegen „gierige Griechen“. Woher dieser Hass?
Auf der Höhe der „Pegida“-Umzüge leberwurstelte sich Bild eine beleidigte Seite 2 zusammen mit dem Tenor: „Wieso Lügenpresse? Wir sind doch völlig eurer Meinung!“ Das kann man als Beleg der These lesen, Bild sei eine als Zeitung getarnte völkische Rechtspartei. Sie ringt nun mit AfD, den Gidisten und Gedissten um die Meinungsführung unter Rechtspopulisten. Letztlich, um die Wähler zum kleineren Übel Union zu führen; und umgekehrt: um auf den Kurs der Regierungspartei erheblichen Einfluss zu nehmen. Merkeloid vom Ende her gesehen: Der Kanzlerin ist Bild lieber als AfD.
Selbst Linke und Grüne haben für die Verlängerung der Griechenland-Hilfe gestimmt. Ganz, ganz Große Koalition?
Bei der Linken gab es 3 Nein und 10 Enthaltungen. Maximalform des Protestes bei SPD und Grün war Abwesenheit. Europapolitisch fußt Merkels Politik damit wieder auf der stillen Loyalität von Rot-Grün. Immerhin verlieren sie im Gegenzug auch die nächste Wahl gegen Merkel.
Und was machen die Borussen?
Knüpfen an das Vorbild des legendären isländischen Fußballclubs UMF Stjarnan an, dessen Torjubel-Inszenierungen ihm Weltruhm eintrugen. Dortmund ist da – siehe „Batman & Robin“ im Spiel gegen Schalke – gleichauf. Falls sie mal ein Tor machen, klar.
FRAGEN: JLO, QL, JSP
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Greenpeace-Vorschlag
Milliardärssteuer für den Klimaschutz
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen