Die Wahrheit: Letzte Ausfahrt Helgoland
Liegt ein Fluch über dieser Insel? Immer endete es wohl bös, wenn jemand aus der Politik nach Helgoland kam. Wie also geht es weiter mit Markus Söder?
B ald wird Bayern einen neuen Ministerpräsidenten brauchen. Der bundesweite Foodblog-Content wird eklatant einbrechen. Und die weltweite Wurstfetisch-Szene verwaist.
Warum das so ist, erklärt mir Maren am Nordstrand der Helgoländer Düne. Maren weiß alles über die Insel, sie ist hier aufgewachsen. Natürlich war sie zum Brauchtumsabend eingeladen, dem Höhepunkt des Söder-Besuchs auf dem zweigeteilten Eiland. In Marens Kleiderschrank, drüben auf der Hauptinsel, hängt ein prächtiges Exemplar der Helgoländer Tracht. Es blieb hängen.
Maren verbringt einen großen Teil des Sommers auf der Düne, ich bin leider nur ein paar Tage hier. „Dem Söder hat das wohl keiner gesagt“, überlegt Maren – „aber denk mal an Uwe Barschel“. Ich denke also an Badewannen, aber Maren ist schon bei Heide Simonis: „die Arme.“
Immer habe es ein böses Ende genommen, erklärt Maren, wenn jemand aus der Politik nach Helgoland kam. Die Seehunde am Strand beginnen zu heulen, ein schauriger Sound. Sollte es wirklich so etwas wie einen Inselfluch geben? Faktencheck: Kurz nach seinem Helgolandbesuch 1987 nahm Barschel das finale Vollbad in Genf. Heide Simonis fiel 2005 nach einer Inselvisite vier Mal bei der Wiederwahl im Kieler Landtag durch. Ein unwürdiges Ende für die erste Frau, die in Deutschland regulär zur Ministerpräsidentin gewählt worden war.
Drei Namen, noch mehr Debakel
Zumal ihr Peter Harry Carstensen folgte: ein Mann, drei Namen, noch mehr Debakel. Als Profiteur des bis heute unbekannten „Heide-Mörders“ regierte der spätere Wirecard-Lobbyist dauerkriselnd mit der SPD, um dann durch Mandattricks mit der FDP weiterzuwurschteln. Gut, dass er 2010 Helgoland besuchte. Gleich danach erklärte das Verfassungsgericht die Landtagssitzverteilung für ungültig. Nach seinem Rücktritt sollte Carstensen noch den Bundespräsidenten mitwählen, doch Dackel Lawrenz hatte Rücken. Der Besucherfluch zeigt auf vielen Ebenen Wirkung.
„Sag ich ja“, sagt Maren. Schade, denke ich, dass Franz Josef Strauß die Insel nie besucht hat. Trotz Spiegel-Affäre wurde er 1966 Bundesfinanzminister – und förderte eifrig den Länderfinanzausgleich, Bayern war Nehmerland. Hat das damalige Geberland Bremen Anspruch auf die Zugspitze erhoben? Heute hingegen braucht Söder nur zu sagen, dass Helgoland qua Länderfinanzausgleich längst bayerisch sein müsste – schon lädt man ihn zum Hummeressen ein. Für einen wie Söder der ideale Köder. Aber dass die Hummer an den Fundamentschüttungen der Helgoländer Windräder wachsen, hat ihm wohl auch niemand gesagt.
Würden die Grönländer jemals Trump zu lecker Wal einladen? Maren zuckt mit den Schultern: „Vielleicht, um ihn gleich mit zu harpunieren?“
Ich reise auf demselben Schiff zurück wie Söder, seine Trachtengruppe ist in Feierlaune. Der Seegang wird erst später, aber dann richtig, seine Wirkung entfalten. Das gilt sicher auch für alles andere.
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