Die Wahrheit: Das sofortige und endgültige Rucksackverbot
Es müsste im Alltag vielmehr vernünftige Verbote geben, den Anfang machen könnte ein Edikt gegen den Buckel in Pottwalgröße auf dem Rücken.
A ls Freundin des Rundumschlags bin ich dafür, den Rucksack zu verbieten. Zumindest in Städten, speziell im öffentlichen Nahverkehr. Wer meint, sich im Frühtau zu Berge unbedingt das hässliche Ding auf den Rücken schnallen zu müssen, damit die Hände für den Wanderstock und den Eispickel frei bleiben – bitte sehr. Auch gegenüber der Kiepe, mit der Hexen im Wald Reisig für das Feuer unter dem Hexentopf oder die Flugbesenbindung suchen, bin ich positiv eingestellt. Und für den Transport von süßen Kindern ist eine Trage natürlich ohnehin bestens geeignet.
Solange Menschen in der U-Bahn allerdings vergessen, dass ihnen ein Buckel in Pottwalgröße aus dem Rücken wächst, der mit Funktionsklamotten und ihren Lieblings-Laptops gefüllt und mit Wasserflaschen garniert ist, und sich dann ständig umdrehen, könnte man den Rucksack doch einfach zur neuen „Waffen- und Messerverbotszone“ (WMVZ) hinzufügen (WMRVZ).
Dass Rucksäcke darüber hinaus ein vestimentärer Killer sind und jedes Outfit zerstören, muss nicht extra erwähnt werden. Schilder mit durchgestrichenen Rucksackpiktogrammen gehören an sämtliche Opern, Theater, Clubs, Bars, Restaurants, Museen, Konzerthäuser, Parks und alle anderen Orte, an denen es genuin schön sein sollte. An meiner Wohnungstür hängt längst eins, direkt über dem Klingelschild mit der Aufschrift „Press for Champagne“.
Andere Länder setzen solche Verbote schon durch, wenn auch etwas erratisch: Als ich vor Jahren mal in einem schicken, dem Anlass angemessen schwarzen Fünfzigerjahre-Etuikleid die Sixtinische Kapelle in Rom betreten wollte, nötigte man mich, meine nackten Schultern mit einem Gaze-Cape zu bedecken, damit die Menschen auf den Fresken, vor allem auf Boticellis „Versuchung Christi“ nicht vom ewig Weiblichen beziehungsweise den unbedeckten Schultern einer alten Frau angezogen werden. Neben mir latschten derweil Männer in durchgeschwitzten Shirts, wadenfreien Shorts und Zehensandalen in die Kapelle. Unpedikürt!
Handeln tut also dringend not. Schon Kleinkindern wird die Liebe zum Rucksack eingetrichtert. Neulich hörte ich beim Durch-den-Kiez-Schlendern zufällig einen Satz aus dem Mund eines jungen Vaters, der symptomatisch für unsere Zeit steht: „Die Feuchttücher sind in Noëlles Rucksack.“
Darin steckt schon alles. Die nicht nachhaltig hergestellten Feuchttücher, die gesunde Dreckbakterien vernichten, bevor sie das kindliche Immunsystem stärken können; der Name, für den man zwei Extrapünktchen braucht, von denen man nicht weiß, wo auf der Tastatur sie sich befinden; und der Rucksack. Da kann man nur hoffen, dass Noëlle nicht eines dieser Gen-Alpha-Alphatiere wird, und dass sie ihre Extrapünktchen früh genug findet.
Man könnte übrigens neben dem Rucksack- auch gleich noch ein Sneaker-Verbot aussprechen. Eines, das überall gilt. Sogar im Fitnessstudio, hähä.
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