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Die WahrheitInstantkaffee und lange Unterhosen

„Asterix bei den Briten“ muss umgeschrieben werden: Heutzutage ist auf der Insel nicht mehr der 5-Uhr-Tee, sondern der Morgen-Latte angesagt.

W as ist bloß mit den Engländern los? Bisher war die Nation bekannt für Tee und warmes Bier. Aus und vorbei. In den vergangenen 40 Jahren haben mehr als 20.000 Pubs dichtgemacht, und 56 Prozent ziehen inzwischen eine Tasse Kaffee dem traditionellen Tee vor. Im Durchschnitt trinkt jeder Engländer 60 Tassen Kaffee im Monat. Aus dem berühmten 5-Uhr-Tee, der auch im Weltkrieg an der Front zelebriert wurde, ist ein Morgen-Latte geworden.

Kaum haben sie das Kaffeetrinken gelernt, da wähnen sich 87 Prozent der Generation Z bereits als Experten, so hat eine Studie ergeben. Sie investieren knapp 65 Pfund im Monat in Kaffee – mehr als doppelt so viel wie die über 60-Jährigen. Sechs von zehn jungen Engländern beurteilen einen Menschen nach seiner Kaffeebestellung. Wer einen Instantkaffee trinkt, trägt auch lange Unterhosen und hat Auslegware im Badezimmer.

Insgesamt sind 84 Prozent der Briten von ihren Barista-Kenntnissen überzeugt und behaupten, dass sie zu Hause die perfekte Tasse Kaffee zubereiten können. Das ist gelogen, das weiß ich aus Erfahrung. Eigentlich müsste es zu einer Scheidungswelle kommen, denn 42 Prozent der Generation Z behaupten, dass sie sich trennen würden, sollte der Partner keinen anständigen Kaffee zubereiten können.

Bei ihnen gelten Cappuccino-Fans als belesen, sofern sie ihn nicht nach 11 Uhr bestellen. Das Milchschaumgetränk hat in den neunziger Jahren in der westlichen Welt einen Siegeszug angetreten, der an mir spurlos vorbeigegangen ist, da ich noch schlafe, wenn die Cappuccino-Zeit vorüber ist. Aber ein Flat White, der drittbeliebteste Kaffee in England, der auch nach 11 Uhr erlaubt ist, kommt mir nicht in die Tasse, denn diesen missratenen Stiefbruder des Cappuccino bevorzugen am ehesten Kulturbanausen, laut Studie.

Flach und weiß

Der flache Weiße wurde Mitte der achtziger Jahre in Australien erfunden, einer Nation mit hohem Anteil an Instantkaffeetrinkern. Vermutlich war es ein Zufallsprodukt, weil man daran gescheitert ist, die Milch vernünftig aufzuschäumen.

Ebenso wenig wie einen Flat White bringe ich einen aromatisierten Kaffee über die Lippen. Freunde dieser Brühe halten sich für lustig und gesellig, sind aber in Wahrheit furchtbare Langweiler, lautet das Expertenurteil. Und wer Hafermilch-Latte mag, freut sich auch über Brunnenkresse auf dem Sandwich.

Trotz der neu entdeckten Liebe zum Kaffee offenbaren sich jedoch große Wissenslücken, hakt man bei den selbsternannten Kaffeekennern nach. Bulletproof Coffee, Lungo, Ristretto, Demitasse und Cortado kennt kein Mensch auf der Insel.

Ich mag zwar keinen doppelten Espresso, aber ich bestelle meistens trotzdem einen, denn die Freunde dieses Getränks haben laut Studie das Image, anspruchsvoll, weit gereist und gut im Bett zu sein.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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3 Kommentare

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  • Schön, den Tag mit einem Lachen beginnen zu können.



    Ja, es hat sich Einiges getan, seit Asterix bei den Briten war.



    Der Tunnel, der damals " angefangen wurde, zu graben", ist seit einiger Zeit fertig, dennoch ist die Insel von Europa weggedriftet.



    Vielleicht ist der Verzicht auf das Teealleinstellungsmerkmal eine unbewusste Annäherung an den Kontinent?



    Ich mag immer noch Teefürzweifix und plante kürzlich eine Expedition ins Dachbodenreich, auf der Suche nach den alten Comics.



    Understatement hat mir auch immer zugesagt , doch seit Boris Johnson scheint dieser Stil verloren gegangen zu sein.



    Gerne lese ich aber die Entwicklungen , hier in der Teeküche, bei einem Latte. Das soll ja, zum Glück, very british sein!

  • Daß es etwas mit Barista - Fähigkeiten zu tun hat, eine anständige Tasse Kaffee zuzubereiten, halte ich für ein Gerücht. Denn die wird ja von Hand aufgegossen... =;-). Nur so wird sie ein Ritual Ersatz für den Tee am Morgen.



    Falls Briten bzw Britinnen das inzwischen können, spricht man von einer Inselbegabung.



    Und nur wir Deutschen können zwischen den verschiedenen Morgen - Latten per Geschlechtspronomen unterscheiden...

  • Hallo Ralf, muss es nicht heißen



    DIE Morgenlatte?