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Die WahrheitUnionisten gegen Aale

Die länglichen Tiere werden zunehmend zum Opfer des Brexit. Weil sie einen Staudamm nicht umschiffen können.

R eisende soll man nicht aufhalten. Aber gilt das auch für Aale? Der See Lough Erne liegt zum Großteil in Nordirland, zu einem kleineren Teil in der Republik Irland. Politische Grenzen haben die Tiere auf ihrer 6.500 Kilometer langen herbstlichen Laichwanderung zurück in die Sargassosee, wo ihr Leben einst begann, noch nie interessiert.

Doch dann baute die irische Elektrizitätsgesellschaft ESB das Wasserkraftwerk Cathaleen’s Fall, an dem die Aale nicht vorbeikommen. Deshalb sammelt man sie in einer Reuse ein, transportiert sie in Lastwagen mit belüfteten Wassertanks am Kraftwerk vorbei und setzt sie wieder aus, sodass sie nach Hause weiterschwimmen können. Manchmal geht das jedoch schief: Ostern 2014 sind Hunderttausende Aale verendet, weil niemand die Reusen über die Feiertage kontrollierte. Als sie voll waren, bekamen die Aale zu wenig Sauerstoff und starben.

Nun droht den Tieren Gefahr von anderer Seite. Die Lastwagen, die sie am Kraftwerk vorbei transportieren, müssen die innerirische Grenze überqueren, und das geht nur dank des Windsor-Rahmenplans. Seit dem Brexit dürfen lebende Tiere eigentlich nicht aus einem Nicht-EU-Land in die EU importiert werden. Der Rahmenplan regelt jedoch, dass Nordirland Teil des EU-Binnenmarkts bleibt. Dadurch soll eine Grenze in Irland vermieden werden.

Die Aale verfolgen nun besorgt die Bemühungen der nord­irischen Unionisten, den Rahmenplan loszuwerden, weil er Nordirland eine Sonderstellung im Vereinigten Königreich verschafft. Der Rahmenplan läuft demnächst aus und muss vom Belfaster Regionalparlament bis zum 17. Dezember verlängert werden. Im Gegensatz zu anderen Abstimmungen über strittige Themen ist aber in diesem Fall die Unterstützung durch beide Seiten – also Unionisten und Nationalisten – nicht erforderlich.

Stachelfisch

Eine einfache Mehrheit reicht, um den Rahmenplan um vier Jahre zu verlängern. Erhielte der Antrag die Unterstützung beider Seiten, würde er um acht Jahre verlängert. Dazu wird es aber nicht kommen, denn die Democratic Unionist Party (DUP) hat bereits angekündigt, dagegen zu stimmen.

Den Unionisten sind die Aale offenbar egal. Sie haben, ebenso wie die Engländer, ein distanziertes Verhältnis zu Fischen im Allgemeinen und zum Aal, den sie bisweilen in Gelee einlegen, im Besonderen. Mehr als die Hälfte der Inselnation weiß nicht, dass John Dory eine Art Stachelfisch ist. Viele vermuten, es handle sich um einen berühmten Dichter. Den Seelachs halten sie für eine Hunderasse oder Pflanzenart und den Seehecht für ein Gartengerät zum Beseitigen von Laub.

Als kulinarische Banausen haben sich 43 Prozent der Engländer geoutet. Sie geben zu, dass sie nur Fisch essen, wenn er paniert ist. Von dieser Seite droht den Aalen also keine Gefahr, denn man kann sie nicht in einen Teigmantel stecken.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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