Die Wahrheit: Jadehasen im Ausflugskrater
Nach der Mondlandung der indischen Chandrayaan-3-Mission droht dem beliebten Erdtrabanten endgültig der Verkehrskollaps.
Am Südpol des Mondes herrscht Hochbetrieb. Mühsam bahnt sich der indische Rover seinen Weg über die staubige Piste zu den beliebten Ausflugskratern des Erdtrabanten. Mit quengelndem Dauerhupen und hochriskanter Fahrweise gelingt es dem selbst lenkenden High-Tech-Gefährt, das den schwarz-gelben Autorikschas des Subkontinents nachempfunden ist, sich an die Spitze des Konvois von Mondfahrzeugen zu setzen. Doch da schert ein Gefährt namens „Babur“ aus und setzt sich vor den indischen Konkurrenten. Der Jubel aus der pakistanischen Kontrollstation in Karatschi ist sogar im Vakuum des Weltraums bis auf die dunkle Seite des Mondes zu hören.
Nach der erfolgreichen Landung der Mondmission Chandrayaan-3 am vergangenen Mittwoch herrschte auf dem indischen Weltraumbahnhof im Bundesstaat Andhra Pradesh nicht gerade Champagner-, aber immerhin Lassi-Laune, doch die Euphorie der Inder ist längst verflogen.
Obwohl der unbemannten Sonde die Landung perfekt glückte, steckt das indische Mondfahrzeug nun rettungslos im lunaren Berufsverkehr fest.
Denn längst nicht jede erfolgreiche Mondmission schafft es in die Schlagzeilen. Am Tag der Liechtensteiner Landung vor drei Wochen ging ein Katzenvideo viral und verdrängte die „Vaduz 2“ aus den Medien. Über die Mondmission der Subsahara-Staaten im Monat zuvor konnte wiederum nicht berichtet werden, weil der Start mitten in Afrika stattfand, wo sich niemand auskennt.
Nimmersatte Raupenfahrzeuge
Mittlerweile ist die klimatisch angenehme Südpolarregion des Mondes so überlaufen wie die Strände der Costa del Sol, der Verkehr auf der Mondoberfläche ist zäh wie der auf der A3 zwischen Köln und Oberhausen. Man hört es nicht, doch überall surren Servomotoren, knirschen Räder im Mondstaub, fisteln die Stimmen der terrestrischen Missionsleiter über den Bordfunk.
Beinahe täglich kommt es zu Massenkarambolagen angeblich intelligenter Mondmobile. Ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer wie den farbenfrohen Lander der kongolesischen „Troposphère 6“ schiebt sich das nimmersatte belgische Raupenfahrzeug „Leopold II“ voran und schnobert auf der Suche nach wertvollen Rohstoffen wie Elfenbein und Kautschuk durch das lockere Mondgestein. Direkt daneben krängt der „Irish Rover“ bedenklich weit über Backbord. Mit seinen „five million hogs“ und „six million dogs“ an Bord kommt der Seelenverkäufer der irischen Raumfahrt, der bereits 1806 in Cork startete, kaum über die Furchen. Amerikanische Pionierfahrzeuge zimmern im Nansen-Krater derweil eine Besuchertribüne für die Vereidigung des künftigen Weltraumpräsidenten Trump zusammen.
Doch die allermeisten Fahrzeuge entstammen einem chinesischen Betriebsunfall. Nachdem die Volksrepublik 2013 bei ihrer Mission Chang’e 3 zwei voll autonome Mondrover des Typs „Yutu“ (Jadehase) auf dem Mond auswilderte, haben sich die Biester unkontrolliert vermehrt. In riesigen Herden hoppeln heute die Yutu durch die Gesteinswüsten des Mare Imbrium, um Datenmassen zu sammeln, die längst keine Abnehmer mehr finden. Ein majestätischer Anblick für Technikbegeisterte, aber eine politische Peinlichkeit für China: Offenbar tauschen die auf Selbsterhaltung programmierten Jadehasen seit Jahren heimlich Ersatzteile mit taiwanesischen Rovern.
Anschluss an Moskau
Auch andernorts droht der Verkehrskollaps. Derzeit wird die touristisch bedeutsame Route zu den Stränden des Mare Tranquillitatis von Trümmern der russischen „Luna-25“ blockiert. Kurz vor der geplanten Landung in der vergangenen Woche stürzte Putins Mondsonde aus bislang ungeklärten Gründen ab. Angeblich soll das Gerät kurz zuvor den russischen Präsidenten kritisiert haben. Womöglich war die Sonde jedoch bloß überladen. An der Unfallstelle kann man die prall gefüllten Wahlurnen des Mond-Referendums besichtigen. Offenbar hat sich der Ostteil des Himmelkörpers für einen Anschluss an Moskau ausgesprochen, noch bevor die Umfrage-Sonde überhaupt auf dem Mond hatte landen können.
Künftig dürfte es sogar noch voller auf dem Erdtrabanten werden. Zwar geben sich die terrestrischen Multimilliardäre wie Bezos und Musk nicht wie simple Nationen mit Mondfahrten ab, sondern streben dem Mars, Alpha Centauri oder Darth Vaders Residenzplaneten entgegen, doch auch minder begüterte Alphamännchen präsentieren gern den Riesenphallus Mondrakete. Rammstein-Sänger Till Lindemann soll sein berüchtigtes Bühnenrequisit, die heißgeliebte Peniskanone, schon auf Frau Luna gerichtet haben.
Auch andere Großkopferte der Musikbranche sind interessiert. Nach dem verregneten Festivalsommer suchen die Agenturen wetterunabhängige Austragungsorte für Massenveranstaltungen. Das weltgrößte Heavy-Metal-Festival in Wacken soll im kommenden Jahr noch weltgrößer werden und vom nassen schleswig-holsteinischen Acker ins knochentrockene Hauptbecken des Mare Frigoris verlegt werden, das bis zu 12 Millionen Metal-Fans Platz zum Headbangen und ein schwereloses Konzerterlebnis bieten kann.
Blutjunge Besatzung im All
Für die profithungrigen Veranstalter eine Win-win-Situation, im All kann man den Kunden sogar Luft verkaufen. Den Mondpreis von 12,6 Millionen Dollar pro Ticket werden die notorisch treuen Fans aufbringen, ist man überzeugt, immerhin konnte die Branche ihnen auch schon Kreuzfahrten unterjubeln. Musik ist in der dünnen Mondatmosphäre nicht zu hören, aber darum geht es bei den Festivals ja längst nicht mehr.
Auch Rammstein plant eine exklusive Mondtournee durch die großen Krater, bei der die Band unbehelligt von irdischer Gerichtsbarkeit ihren Vergnügungen nachgehen kann. Angeblich stellt Till Lindemann schon eine blutjunge Besatzung für seine Mission „Row Zero“ zusammen. Technisch dürfte der Mondflug für die pyromane Band kein Problem darstellen. Bei einem durchschnittlichen Rammstein-Konzert werden immerhin mehr Explosivstoffe freigesetzt als damals beim Start der amerikanischen Mondrakete Apollo 8.
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