Die Wahrheit: Gabi und die Folgen
Neues aus Neuseeland: Ein Wirbelsturm namens Gabrielle zieht über die Nordinsel, und im Verschwörungsmilieu gärt es anschließend mächtig.
E s gibt sicher nette Gabis, aber Gabi kann auch grausam, wie die Kiwis seit zwei Woche wissen. Mit 160 Stundenkilometern raste Wirbelsturm „Gabrielle“ im Februar durch die Südsee und wütete im Norden Neuseelands. Es kam zur Blitzflut. Häuser rutschten von Hängen, Vieh ertrank, elf Menschen starben, ein Dutzend werden vermisst. Die Weingegend Hawkes Bay, eine Milliardenindustrie für den Export, ist zerstört.
Zum dritten Mal in der Geschichte des Landes wurde nationaler Notstand ausgerufen. Das Naturdesaster als Folge der Klimakatastrophe wiegt so schwer wie das Erdbeben, das im Jahr 2011 Christchurch auf der Südinsel plattmachte. Doch diesmal gibt’s noch einen obendrauf. Denn Zyklon „Gabi“ hat uns nicht nur stinkenden Schlamm und kaputte Straßen beschert, sondern neue Verschwörungstheorien.
Kaum schrillten die ersten Feuerwehrsirenen, wurden auch die Aluhüte aufgesetzt. Der Sturm, hieß es auf Telegram, sei deshalb entstanden, weil „die da oben“ mit Chemtrails das Wetter manipulierten. In der Woche darauf kursierten wilde Gerüchte, dass es Hunderte von Toten und unzählige Plünderungen gäbe – alles von der satanischen Labour-Regierung verschleiert.
Die Opposition trug ihren Teil zum Infosumpf bei. Maureen Pugh, Hinterbänklerin der National Party, die bei ihrem Mandatsantritt verkündet hatte, dass sie nicht an pharmazeutische Produkte glaubt, gab vorige Woche zu Protokoll, dass sie auch nicht an den menschengemachten Klimawandel glaube. Drei Stunden später machte sie unter Druck eine unglaubwürdige Kehrtwende.
Getoppt wurde das politische Debakel der Lügner und Leugner jedoch von zwei Heilsbringern der Anti-Impf-Proteste. Eine ist Liz Gunn, pensionierte TV-Moderatorin mit Messias-Komplex. Sie war zuletzt in den Schlagzeilen, als es ums „Blutbaby“ ging, das sie retten wollte. Der Junge benötigte für seine Herzoperation eine Transfusion, doch die verschwörungsgläubigen Eltern des Kleinen verlangten Blutkonserven von Ungeimpften. Gunn sprang für sie in die Bresche.
Jetzt wollte sie sich für andere Märtyrer einsetzen: Eine Familie aus dem Inselstaat Tokelau, die auf ihrem Atoll unter Hausarrest war, weil sie die Corona-Impfung verweigerte. Als die Polynesier in Auckland landeten, war Gunn mit einem Kamerateam zur Stelle. Da das Filmen aber nicht genehmigt war, wurde sie verhaftet und darf den Flughafen die nächsten zwei Jahre nicht mehr betreten – was ihren Desinformationsradius hoffentlich einschränkt.
Doch niemand kann dem homophoben Brian Tamaki von der Destiny Church das Weihwasser reichen. In seiner letzten Sektenpredigt erklärte der „Apostel“, warum Hawkes Bay und die Kleinstadt Gisborne von „Gabrielle“ zerstört wurden: Als Strafe Gottes, denn dort guckten zu viele Schwulenpornos im Internet. Gisbornes Bürgermeisterin schlug ihm daraufhin vor, lieber beim Wiederaufbau zu helfen, als auf Pornhub zu „recherchieren“. Amen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!