Die Wahrheit: Lang lebe die Maskenpflicht!

Bald werden wir uns wieder riechen müssen, wird nicht schön werden. Denn keine Maskenpflicht mehr heißt: Wunderbare urbane Anonymität verschwindet.

Die schönen Tage der Maskenpflicht sind gezählt. Glücklicherweise muss ich mir auch danach nicht verbieten lassen, dieses beste und praktischste aller Accessoires weiterhin zu benutzen. Und dass die neuen Regelungen sich noch etwas hinziehen, verschafft einem die Zeit, die richtigen Argumente zurechtzulegen.

Meine Lieblingsantwort auf die designierte, gebellte Frage „Wieso trägstn noch Maske?“ ist und bleibt: „Damit ich dich nicht riechen muss“. Wer je im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter in der U-Bahn saß, weiß was ich meine. Ich hatte schon große Probleme, mich damals nach dem Kneipen-Rauchverbot (das zum Glück wieder gekippt wurde) an das strenge Menschbouquet zu gewöhnen, das vorher stets vom gnädigen Nikotinduft überdeckt war. (Man kann es nicht oft genug sagen: Nikotin ist das Parfum der Nacht.) Und unter der Maske nur den eigenen Atem riechen zu müssen, den man problemlos mit Pfefferminz, Salbei oder Cynar aromatisieren kann, ist schlichtweg die angenehmere Variante.

Ein weiteres Argument hat mit Eitelkeit und Sparsamkeit zu tun: Selbst wenn ich das Geld hätte, um mir meine Nasolabial- bzw. Marionettenfalten unterspritzen zu lassen, würde ich es lieber für sinnvollere und nachhaltigere Dinge ausgeben, etwa für das Playmobil-Raumschiff-Enterprise-Modell, das gerade überall im Angebot ist, weil kein Kind reich genug und kein Erwachsener außer mir nerdig genug ist, um es zu kaufen. (Ich gebe zu: Ich habe es schon gekauft. Es ist großartig, viel besser als keine Falten.) Die Maske überdeckt eh fast sämtliche Falten – ohne Betäubung, wenn ich das für die Gesundheitsbewussten hinzufügen darf.

Blümerant und spitzmaulfroschig

Aber Beauty ist ein altersunabhängiges Thema: Seit die Maskenpflicht bröckelt, beobachte ich so viele aufgespritzte Lippen um mich herum, dass mir immer ganz blümerant und spitzmaulfroschig zumute wird. In jedem U-Bahn-Wagon sitzt mindestens ein blutjunges Ding, und versucht, über ihre dicken Lippen hinaus auf das Handy zu gucken.

Wenn ich an all das Hyaluron denke, das in diesen jugendlichen Schnuten versenkt wurde und kurz darauf eh wieder abgebaut ist, tun mir die Hähne leid, aus deren Kamm es gewonnen wird. An sich finde ich es gut, ein Tier mit Haut und Haar aufzuessen, so man unbedingt Tiere essen muss. Doch seit ich in einem Vier-Sterne-Restaurant unter dem Gerichtsnamen „Hahnenkamm“ einst ein rotes, gummihandschuhartiges Ding serviert bekam, das an Wallace & Gromit erinnerte, fremdele ich etwas mit dem Hahnenkamm samt seinen darin enthaltenen Extrakten.

Sollte die wunderbare, urbane Anonymität der letzten Jahre jetzt durch das Fallen der Maskenpflicht aufgelöst werden, ziehe ich den Anblick schmaler Lippen vor und verweise auf Jeremy Irons, Sigourney Weaver und Didier Deschamps. Denen hat das fehlende Hyaluron nicht geschadet. Allerdings treffe ich diese Herrschaften wohl kaum in der U-Bahn, ob mit oder ohne Maske.

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