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Die WahrheitMein Leben als Beatles-Film

„Yesterday“ war gestern, morgen kommt „Misery“. Wäre die Welt ohne Romcoms nicht eine bessere?

N eulich lief mal wieder ein Beatles-Film im Fernsehen. „Yesterday“ heißt er und stammt erstaunlicherweise aus dem Jahre 2019 und von Danny Boyle. Die Grundidee ist schlicht und genial: Ein weltweiter Stromausfall sorgt dafür, dass nicht nur das Gedächtnis an die, sondern jegliche Spuren von den Beatles aus der Welt verschwinden. Einzig der erfolglose Sänger Jack erinnert sich. Als er erkennt, dass er damit ein Alleinstellungsmerkmal besitzt, baut er eine steile Karriere auf den Beatles-Stücken auf, die er aus der Erinnerung wieder zusammensetzt.

Eine gute Weile bleibt der Film charmant, weil er viele kleine Seitenhiebe auf das Musikbiz, wie wir es kennen, beinhaltet. Ed Sheeran kommt auch vor und spielt sich selbst. „Singt wie eine Ziege“ war der passende Kommentar der mitschauenden Freundin.

Leider rutscht „Yesterday“ im weiteren Verlauf in eine schlechte Romcom ab; die Liebesgeschichte zwischen Jack und seiner ersten Managerin ist wirklich so hanebüchen, dass sich selbst die härtesten Love-Ideologen mit Schaudern abwenden würden. Die Prämisse des Films, nämlich dass die Welt ohne die Beatles eine schlechtere wäre, geht so leider nicht auf.

Witzig ist am Ende aber, dass es neben den Beatles auch keine Coca-Cola gibt, keine Zigaretten und keinen Harry Potter. Denn das Coca-Cola-Geheimrezept erinnert Jack leider nicht, er versucht es auch erst gar nicht. Eine Suche nach Tabakpflanzen findet ebenfalls nicht statt. Nur das mit Harry Potter bleibt einen Moment offen.

Lass es sein

Nun ist es im Grunde egal, ob es Coca-Cola gibt, es hat ja schließlich Pepsi. Rauchen muss man auch nicht, es sei denn, man ist jung oder Arbeiterklasse oder sonst wie abgehängt oder will zumindest so tun (bevor jetzt böse Briefe kommen: Habe selbst lange genug geraucht). Und eine Welt ohne Harry Potter? Ich lebe schon länger in so einer Welt.

Eine Welt ohne Beatles kann ich mir dagegen kaum vorstellen. Sogar „Yesterday“ und „Let It Be“, Songs, die ästhetisch wehtun können, lösen bei mir wohlige Schauder aus. Was bei meiner Freundin nicht so ist. Aber die hasst sogar „Sounds of Silence“ und „Unchained Melody“, zwei der allergrößten Songs der Popgeschichte.

Verzichten könnte man dagegen auf diesen Schmu, der in Romcoms erzählt wird. All diese „Lieben sich seit Sandkastenzeiten, fassen sich aber erst zwanzig Jahre später an, und dann nur nach Überwindung zahlreicher Hindernisse, bevor am Ende endlich geheiratet wird“-Geschichten. Ich glaube, ohne sie die Welt würde sein ein besserer Platz.

Bis es so weit ist, starten wir mal eine Filmreihe mit Filmen, die nach Beatles-Songs heißen. Und sehen sie uns dann in chronologischer Reihenfolge an. Da es „I Saw Her Standing There“ noch nicht gibt, ist „Misery“ der erste Film. Hehe. Der reins­te Horror.

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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