Die Wahrheit: Kein schöner Landbus
Nach dem 9-Euro-Ticket soll ein 29-Euro- oder 49-Euro-Ticket kommen. Gut fürs Landvolk, das trotzdem weiterhin mit den Auto in die Güllebar fährt.
W enig läuft bekanntlich mieser hierzulande als der öffentliche Personennahverkehr im sogenannten ländlichen Raum. Entsprechend gern und häufig wird er von den Landbewohnern genutzt, als Ausrede vor allem für ihre Kfz-Abhängigkeit. Und warum sie nichts dafür können.
„Ja, hätten wir eine U-Bahn vor der Tür, dann täten wir vielleicht auf eines unserer zwei bis vier Kfz verzichten.“ Mal abgesehen davon, dass da, wo es U-Bahnen gibt, die Straßen trotzdem voller Autos sind, haben die Landeier selbstverständlich völlig recht. Der Komfort eines mit Radio, Zigarettenanzünder und Duftbaum, mit Heizung, Massagesitzen, Mösenstövchen und vielen weiteren Annehmlichkeiten ausgestatteten Kfz ist nun mal durch nichts zu toppen.
Kein anderes Fortbewegungs- und Transportmittel ist geeigneter für die Erledigung der vielen Erledigungen, die ein durchschnittlicher Landbewohner so erledigen muss. Ob morgens zum Bäcker, mittags in den Baumarkt oder abends in die Güllebar, ob frische Zichten holen oder in den Stall zur Besamung. Um wie viel entspannter lässt sich das alles mit dem eigenen Kfz bewerkstelligen statt mit dem Linienbus. Erst recht, wenn der gar nicht fährt.
Wenn allerdings mal einer kommt, dann natürlich immer voll pünktlich – also 15 bis 50 Minuten später als angegeben. Oder auch schon mal drei Minuten zu früh. Und das obendrein richtig häufig, nämlich bis zu zweimal täglich: morgens um 5.13 Uhr an ausgewählten Tagen und abends auch – ruft man drei Tage vorher in der Leitstelle an.
Ist er dann da, muss der Busfahrer, der auch die hintere Tür öffnet, damit man bequem einsteigen kann, noch erfunden werden. Selbst wenn es gerade wie aus Eimern schüttet und man Kisten dabei hat oder ein sterbendes Kind, heißt es: „Einstieg nur vorne!“ und „Den Fahrschein, bitte!“ – egal, wie lange man mit beschlagener Brille nach der Monatskarte kramen muss, bevor man gnädig durchgewunken wird.
Und noch während man durch den engen Gang zum Platz tapert, brettern sie los. Heizen durch die nächste Kurve, dass man nur so durchgeschleudert und von den übrigen Fahrgästen – „Guck mal, der doofe Opa, voll lustig, wie der strauchelt!“ – ausgelacht wird. Vorausgesetzt, es befinden sich weitere Fahrgäste an Bord.
Ach ja, die Haltestellen: Die sind auf dem Land nie unter drei Kilometer Fußmarsch zu erreichen. So steht es in den Beförderungsbedingungen. Nach denen auch die Wartehäuschen so gestaltet sein müssen, dass man allen nur denkbaren Einflüssen möglichst schutzlos ausgeliefert ist. Vor praktisch nichts können sie einen Landbusler bewahren. Auch vor der geschwätzigen Mitfahrerin nicht, die einem, noch während man gemeinsam auf den längst überfälligen Bus wartet, erst ihre Lebensgeschichte und anschließend detailreich erzählt, dass letzte Nacht ihre Wärmflasche kaputtgegangen ist. „Stellen Sie sich das mal vor!“
Als Landbusler kann man sich alles vorstellen.
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