piwik no script img

Die WahrheitFlusstanz und Flamenco

Spanien und Irland sind sich um Seelenmeilen näher als England und Irland. Weiß man nicht weiter, helfen ortsunkundige Iren und Spanier liebend gern.

S panien – welch wohlklingendes Wort für irische Ohren. Die meisten Iren verbinden damit Sonne, Sandstrand und Sangría. Manche denken dabei aber auch an harte Drogen, denn die beiden größten irischen Drogenkartelle operieren inzwischen von Spanien aus.

Das Außenministerium in Dublin warnt, dass schon eine ganze Reihe von Landsleuten in Spanien aufgrund von Drogenkonsum zu Tode gekommen seien. So? Die „Cocaine Coast“ liegt doch in der südirischen Grafschaft Cork. Dort werden häufig Drogenpakete angeschwemmt, die von südamerikanischen Schmugglerbooten über Bord gegangen sind.

Und dann gibt es ja auch noch Alkohol. In Spanien seien die Schnäpse großzügiger bemessen, warnt das Ministerium. Und sie sind wesentlich billiger. Deshalb soll man auf spanischen Balkonen achtsam sein, damit man nicht hinunterfällt. Des Weiteren demonstriert der Spanier recht gerne, auch spontan, heißt es auf der Webseite des Amts. Iren mögen sich fernhalten, weil es zu plötzlichen Gewaltausbrüchen kommen könne.

Alles Quatsch. Die größte Gefahr für blasse Nordeuropäer sind Sonnenstich und Sonnenbrand. Allerdings berichteten die irischen Medien vorigen April hämisch, dass es in Irland wärmer sei als in Spanien. In Dublin herrschten 17 Grad, in Barcelona war es ein Grad kälter. Die irische Hitzewelle dauerte aber nur fünf Tage.

Seelenverwandte im Tanz

Iren und Spanier sind Seelenverwandte. Beide Völker tanzen gerne – die Spanier haben Flamenco, die Iren Riverdance. Und wer nachts mit einer Panne liegen bleibt, hat im nächsten Augenblick in Madrid wie in Dublin eine Schar von Helfern um sich. Fragt man jemanden nach dem Weg, bekommt man immer eine Antwort, auch von einem Ortsunkundigen. Man will ja niemanden enttäuschen. Nur beim „mañana“ unterscheiden sich beide Länder: So etwas Dringliches wie ein Morgen gibt es in Irland nicht.

Ein Engländer schrieb in einem Forum für Expats – das sind im Ausland lebende Engländer, die im Gastland keinesfalls „Immigranten“ genannt werden wollen – warum er Spanien hasst. Im Alltag herrsche Planlosigkeit, nichts funktioniere richtig, alle machten Ausflüchte, die Straßen seien schlecht, man werde über den Tisch gezogen. Genau das gleiche schrieb ein anderer Engländer über Irland. Im Grunde sind die Iren die Spanier Nordeuropas.

Jeder fünfte Ire macht jedes Jahr Urlaub in Spanien. Bald wird es umgekehrt sein, denn Irland wird wegen des Klimawandels zum Produzenten von Spitzenweinen und zum Paradies mit sommerlichen, aber nicht zu heißen Temperaturen. Hoffentlich läuft es dann besser als beim letzten Mal, als die Spanier massenhaft in Irland eingefallen sind. Im Jahr 1588 war die Armada an der irischen Westküste gelandet, um von dort aus England zu erobern. Das ging furchtbar schief. Heute erinnern nur noch die vielen schwarzhaarigen Menschen im Westen der Insel an die damalige Stippvisite.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Mañana – Keltiberer unter sich ... – vor vielen Jahren unterhielt ich mich mit einem walisischen Farmer und frug ihn aus gegebenem Anlaß, ob die walisische Sprache ein Äquivalent zum spanischen Prokrastinativ "mañana" habe. Er dachte viele bedächtige Züge aus seiner Pfeife lang nach, drauf beschied er mich: "Yes, but not that terribly urgent."