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Die WahrheitAus den Weiten Schurkistans

Es trafen sich die Potentaten kürzlich im sagenhaften Samarkand und gründeten einen neuen monumentalen Völkerbrocken.

I n Samarkand, da trafen sich die Potentaten Eurasiens wie Vorderasiens und stießen aus ein einzig Wort: „Pangäa!“ Ein Zauberwort. Vorn der Gott des Schreckens und hinten die Urmutter Erde.

Da jubelten die Potentaten. Denn auf ihrem Kongress der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) fassten der Russe, der Chineserer, der Inder, der Kasache, der Usbeke, der Tadschike, der Kirgise, der Pakistani und nicht zuletzt der eh arg versteinerte Iraner einen noch geheimen Entschluss, um dem libertären Auseinanderdriften der Kontinente und der ständigen Ruckelei der tektonischen Platten etwas verlässlich Felsiges entgegenzusetzen, dass sie nämlich ein zusammenhängendes Staatengebilde schaffen wollten, das wie einst das geologische Pangäa zusammenklebt.

Das neue Reich aber sollte Schurkistan heißen, mit der Hauptstadt Fieskeks. Und bald schon dürften dort einziehen als Gäste und im Status des Beobachters der Turkmene, der Türke, der Belarusse, der Mongole, der Afghane und der Nepalese, und sogar der Armene und der Aserbeidschaner, die sich nicht grün waren, sollten die friedlichen Absichten des monumentalen Völkerbrockens verdeutlichen. Also sprach zu allen der Mogul des Kremls: „Die Zukunft ist nicht nordatlantisch oder pazifistisch – die Zukunft ist kontinental. Das heißt: Immer feste druff!“

Im sagenumwobenen Samarkand stand es den Potentaten märchenhaft vor Augen, wie selbst das Getier der Urzeiten auferstehen würde. Mammuts und Wollnashörner, alles niedertrampelnde Großsäuger, sollten die Symbole, ja Wappentiere werden für Pangäa, dessen Vorstufen Gondwana und vor allem Laurasia einst Inbegriff waren für die Wiege der Menschheit und des richtigen, unverbrüchlichen Denkens.

Inseln wie Irland, Borkum oder Großbritannien hingegen seien nur lächerliche Beispiele isolierten und versprengten Daseins, ohne das große Ganze sehen zu können. Felsenfest wie Permafrost stets bei der eigenen Meinung zu bleiben, sei deshalb das Grundprinzip aller Herrscher des künftigen Schurkistans.

Am Schlusstag der schanghaiten Konferenz im fabelhaften Samarkand traten die Herrn der wilden Hörner, die Feinde der ungeschlachten Nacht bei Tanz und Schalmei in einem bunten Abend gegeneinander an, um einander zu beeindrucken mit der Kraft ihrer schamanischen Taten: Der Russe tauchte in ein Eisbad mit gegorenem Hirschblut gegen Arthrose und Sockenschuss; der Chineserer wirbelte als Schattenschauspieler hüllenlos beim Säbeltanz gegen einen eingebildeten Säbelzahntiger herum; der Hausherr und Tadschike mit Namen Emomalij verschickte sehr persönliche Emojis mit Instantjurten voller gefangener und gegrillter amerikanischer Touristen.

Kurzum: Ein gelungenes Halunkentreffen, das mit der schrillen Schlusssirene „Schurken aller Länder – vereinigt euch“ ein deutliches Zeichen jenseits von Sinn und Verstand in die Welt hinaus sandte.

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