Die Wahrheit: Kopfsalat statt Pferdekopf
Jetzt kämpft die Mafia gegen den Klimawandel. Besuch bei einem ehrenwerten Klimaschützer, der ein Angebot macht, das niemand ablehnen kann.
Der Don hat einen Espresso bestellt. Bio, fairtrade und handgemahlen. Wir sitzen bei sommerlichen 37 Grad in den umweltfreundlich gekühlten Räumen der einzigen veganen Pizzeria Deutschlands.
„Meinen Namen brauchen Sie nicht aufzuschreiben – nennen Sie mich einfach Don“, meint das Oberhaupt der hiesigen Mafia eiskalt lächelnd. „Aber schreiben Sie nicht Mafia. Das klingt so brutal. Wir sind ein Verband, eine Organisation. Schreiben Sie NGO! Ja, wir sind eine Nicht-Regierungs-Organisation.“
Und eine umweltfreundliche NGO obendrein, erfahren wir, denn der Don will die Mafia bis 2030 in eine CO2-neutrale, vegane und nachhaltige Firma umwandeln.
„Die Leute da draußen haben ein völlig falsches Bild von uns“, sagt der 55-Jährige im bunten Freizeithemd. „Natürlich verdienen wir unser Geld – auch wenn das nie bewiesen werden konnte – mit Kriminalität, aber das tun Polizisten und Anwälte ja auch. Ich will, dass wir das in hundert Jahren auch noch tun können, denn ich liebe unseren Planeten. Die Menschheit darf einfach nicht aussterben, denn die Menschheit – das sind Menschen wie du und ich. Und diese Menschen stehen im Mittelpunkt unserer Wertschöpfungskette. Denen muss es gutgehen, jedenfalls, bis wir sie in die Finger bekommen. Wenn den Leuten der nächste Waldbrand statt unser geschultes Fachpersonal das Restaurant abfackelt, sind doch wir die Gelackmeierten. Deswegen tun wir jetzt etwas!“
Klimagerechte Drogen
Er nimmt einen Schluck Espresso, den die mit Mindestlohn bezahlte Kellnerin gebracht hat, und gibt uns ein paar Beispiele. „Nehmen wir bloß einmal Drogen! Wenn wir damit handeln würden – was ebenfalls nie bewiesen werden konnte –, dann käme bei uns kein Gramm Kokain über die Grenze, das nicht klimagerecht hergestellt worden wäre. Auch die Erzeuger würden fair bezahlt – verglichen mit anderen Agrarlöhnen in den Herkunftsländern jedenfalls. Der Transport wäre CO2-neutral, und auf unsere Lieferketten hatten wir ja schon immer ein strenges Auge. Wir wissen immer ganz genau, wo der Stoff herkommt. Und wo er hingeht.“
Der Don trinkt den Espresso aus und bestellt mit kaum wahrnehmbarem Nicken einen neuen. „Aber genügt es, den gesamten Geschäftsablauf umweltfreundlich zu gestalten, um die Welt zu retten?“, fragen wir. „Man muss bei sich selbst anfangen. Leider können wir als organisierte Kriminalität kein öffentliches Vorbild sein. Aber immerhin sind wir organisiert, anders als die Politik.“ Er lacht. „Jemand anders müsste stärkeren Einfluss auf die Politik nehmen. Auf unseren Finanzminister Lindner zum Beispiel wird seit Jahren von der falschen Seite Einfluss genommen. Jemand anderer – ich sag nicht, dass unbedingt wir das sein müssen – könnte ebenfalls Einfluss nehmen, viel überzeugender sogar. Machen wir unserem höchsten Buchhalter ein Angebot, das er nicht ablehnen kann, dann haben wir morgen die klimafreundlichsten Gesetze in Deutschland.“
„Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass nicht jeder deutsche Politiker bestechlich ist“, wenden wir ein. „Die meisten verdienen durch legale Nebeneinkünfte so viel, dass sie für Bestechung unempfänglich sind.“
Geld nach der Karriere
Der Don lacht. „Man kann gar nicht genug Geld haben. Was will Lindner denn in zwei Jahren am Ende seiner Karriere machen, wenn er die deutsche Wirtschaft in Grund und Boden regiert hat und alle ihn hassen? Der Mann will geliebt werden. Also wird er eine Stiftung gründen. Irgendwas mit Kindern und Autos. Dazu braucht er Geld. Viel Geld.“
Der Don schaut hinaus auf die Straße, die Sonne brennt auf die im Stau stehenden Autos. Fußgänger mit kleinen Handventilatoren schlängeln sich zwischen den Karossen auf die andere Straßenseite.
„Wenn Geld nicht hilft, kann man Menschen auch mit anderen Mitteln dazu bringen, das zu tun, was man will. Man muss sie überzeugen. Mit Argumenten, Dokumenten, Fotos oder besser noch Videos. Vielleicht sammelt irgendjemand gerade solche Dokumente über hochrangige Persönlichkeiten, um sie irgendwann den Medien zugänglich zu machen. Darüber sollte der eine oder andere einmal nachdenken. Am besten schon jetzt.“
Die Kellnerin bringt den zweiten Espresso. Der Don bestellt noch ein Tiramisu dazu. „Liegt dann vielleicht ein blutiger Pferdekopf im Bett dieser Personen?“, spekulieren wir. Der Don lacht.
„Nein, wir töten keine Tiere. Aber vielleicht ein abgehackter Salatkopf. Etwa ein Lollo Rosso. Oder ein Radicchio. Denn wenn es eines Tages klingelt und draußen stehen zwei kräftige Herren und sagen: ‚Wir möchten mit Ihnen über das Klima in Deutschland sprechen‘ – dann ist es vielleicht schon zu spät. Auch für das Klima.“
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