Die Wahrheit: Teuer wie Metallica
Wer bei einem der relevanten deutschen Krachmaten-Labels aufkreuzt, der muss sich auf was gefasst machen – auch auf hammerartige, drollige Gesichter.
F ür eine Weltsekunde dachten wir tatsächlich, aus uns könnten die neuen Metallica werden. Der legendäre A&R-Manager CD Hartdegen hatte uns einbestellt. CD Hartdegen, allein der Name war Heavy Metal! Unser Trupp aus musikalischen Poltergeistern hatte ihm, der in der Plattenfirma zuständig war für neue Bands, ein Demo geschickt, mit dem wir beim NDR-Hörfest gelandet waren. Der Umstand, es in die Endrunde eines Talentwettbewerbs geschafft zu haben, sicherte uns seine Aufmerksamkeit.
Heute müssen alle Beteiligten lachen bei dem Wort „Talent“, damals aber fanden wir es nur gerecht, dass Hartdegen uns groß rausbringen wollte. Er ließ uns in seinem Büro Platz nehmen. Ein freundlicher Typ, der unsere Sprache sprach. Nach einer Viertelstunde kam er zur Sache und schrieb den Namen unserer Band auf, um ihn danach doppelt zu unterstreichen. Mir wurde ganz warm ums Herz. Noch nie hatte uns jemand doppelt unterstrichen! Der Vertrag war quasi in Sack und Tüten. Jetzt ging es nur noch um die groben Feinheiten.
Wir hatten ein vollständiges Album eingespielt. Unsere Herzen hatten zwei Wochen auf Magnetband geblutet und hörten dann gar nicht wieder auf, als wir die Studiorechnung sahen. Um sie zu bezahlen, schufteten wir bei VW im Rohbau, was musikalisch nur adäquat erschien, besuchten unsere Großeltern und fuhren in die Spielbank, um Hartdegen schließlich den Roughmix aushändigen zu können. Er tippte gleich beim ersten Song den Rhythmus mit. Wir schmolzen dahin. Irgendwann fragte er gerissen: „Was soll der Spaß kosten?“
Peinliches Schweigen
Tja. Hmmmm. Öööööh. Wir saßen bei Steamhammer, einem der relevanten deutschen Krachmaten-Labels, und hatten daran noch keinen Gedanken verschwendet. Um das peinliche Schweigen zu unterbrechen, meldete ich mich zu Wort. „Die Aufnahmen haben 6.000 Mark gekostet, die wollen wir gern wiederhaben“, sagte ich ganz der Wahrheit verpflichtet.
Hartdegen machte ein drolliges Gesicht, als wolle er einem kleinen Racker einen Lutscher schenken, schrieb sich eine 6.000 auf den Zettel und kreiste die Zahl dick ein. Wir hörten noch eine Weile ins Demo hinein. Schließlich räusperte er sich, wie das nur Manager können, um dem Fußvolk deutlich zu machen, dass die Audienz beendet ist. Ich erhaschte einen Blick auf das Blatt vor ihm. Hartdegen hatte die 6.000 mit kleinen Arabesken, Ranken und Schnörkeln verziert. Es standen nur zwei Infos auf dem Blatt: unser Name und unser Preis.
Wir standen kaum draußen und atmeten die kohlenmonoxidgeschwängerte Luft des Molochs Hannovers, da platzte es auch schon aus uns heraus: „Wir waren zu billig!“ – „Ja, verdammt!“ Da waren sich auf einmal alle einig. Wir rechneten vier Wochen täglich damit, dass Hartdegen uns anrief oder gleich einen Scheck schickte über 6.000 Mark in Schnörkelschrift. Aber nichts passierte. Nie. Selbst halb geschenkt waren wir noch zu teuer.
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