Die Wahrheit: Der wahre 30. Geburtstag
Wer nicht dabei war, hat etwas verpasst: Am Donnerstag feierte die Seite der Wahrheit sich selbst und alle anderen.
E s war das Revival des Jahres. Vergesst „Wetten, dass..?“ und „TV total“, in der gestrigen Donnerstagnacht wurden „30 Jahre taz-Wahrheit“ gefeiert. Das kollektive Lagerfeuer der gut abgehangenen Satire- und Humorszene des Landes wurde in der Berliner taz Kantine entzündet und erst nach einer achtstündigen Monumentalshow wieder ausgepinkelt. Ach, was wurden da beim in Massen zusammengeströmten Publikum für Erinnerungen wach – an die Samstagabende der Kindheit, an denen man frisch gebadet und im Schlafi extra lange aufbleiben durfte, um sich die Texte von Corinna Stegemann, Carola Rönneburg und Männern zuhauf vorlesen zu lassen!
Im vorausgegangen Thomas-Gottschalk-und-Michelle-Hunziker-Ähnlichkeitswettbewerb, der unter Anfeuerungsrufen wie „Adorno ist tot!“ und „Was ist schon ein monatliches Satiremagazin gegen eine tägliche Satireseite!“ durchgeführt wurde, konnten sich Harriet Wolff und Andreas Rüttenauer souverän als Moderatorengespann des Abends qualifizieren. Da sich die Wahrheit wie alle satirischen Institutionen des Landes – mit Ausnahme der im Widerstand verfolgten Comedians Uwe Steimle, Lisa Fitz und Sahra Wagenknecht – schon lange bedingungslos dem Merkel-Regime unterworfen hat, fand die Feier unter strengsten 2G-Doppelherz-Bedingungen statt. Als Gesandter der impfstoffproduzierenden Reptilienmenschen hatte der Berichterstatter die Aufgabe, penibel über deren Einhaltung zu wachen. Sicherlich, gewöhnungsbedürftig: Alle Vortragenden waren in Ganzkörperschutzanzüge gewandet. Beim Vorlesen unter der ABC-Maske gab es vielleicht zunächst die einen oder anderen Artikulationsprobleme, die aber von Wolff und Rüttenauer souverän mit niveauvollen Scherzen über ABC-Schützen und deren Vorleseschwierigkeiten wegmoderiert wurden.
Ansonsten freute Uli Hannemann sich, dass sein Stützkorsett unter dem Anzug nicht so sehr auffiel. Immer frisch aber waren die Wetten der Vortragenden Christian Bartel, Susanne Fischer, Pia Frankenberg, René Hamann, Ralf Sotscheck, ©Tom und meiner Lustigkeit. Mal wettete einer, es werde ihm gelingen, während seines Vortrags mindestens einen im Publikum zum Schmunzeln zu bringen, mal behauptete eine andere, sie könne ihren Finger in der Halswunde stecken bleiben lassen.
Wahrheit-Mogul Michael Ringel hatte eine spektakuläre Außenwette angekündigt: „Ich wette, dass es mir gelingt, mich per Zoom live zuzuschalten!“ Augenscheinlich hat er verloren, gute Besserung! Aber egal: Es war, kurzum, ein Fest der guten Laune, aber auch kritisch! Und selbst Verleger Volker Surmann konnte sich über den massenhaften Absatz des Wahrheits-Jubiläums-Buches „Als wir alle wahnsinnig wurden“ freuen, zumindest nachdem er jedem im Publikum Freibier für den Rest des Abends versprochen hatte, wenn er/sie/es ihm dafür nur einen der Schinken endlich abnehmen würde. Was für ein schöner Erfolg!
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