Die Wahrheit: Heideggers Wärmflasche
Oft zu heiß, nachts gern lauwarm, morgens aber kalt. Kein Wunder, dass das teuflisch zudringliche Ding zu Zerstörungen animiert.
I n „Sein und Zeit“ stellte sich Martin Heidegger die Frage: „Was ist ein Ding?“, präziser: „Welches Sein kommt ihm zu?“ Der Philosoph bestaunte die „Vorhandenheit der geschaffenen Dinge“ und dachte auf ausgedehnten Spaziergängen im Schwarzwald lange darüber nach. So kam er zu dem Ergebnis, dass, was die Dinge „be-dingt“, ihnen Dingheit verleiht, auf die Grundsätze der reinen Vernunft zurückzuführen sein muss. Das war schon pfiffig, klammerte aber zwei wichtige Fragen aus. Was ist mit Gewalt gegen Dinge? Und warum ist die Wärmflasche ein Problem?
Erstens ist Gewalt gegen Dinge vollkommen okay. Heidegger selbst soll einmal seinen Wecker quer durch den Raum geschleudert haben, sodass das klingelnde Ding an der Wand zerschellte. Mein bester Freund hat seit Jahren kein Handy mehr, weil er das dingelingelnde Ding durch einen beherzten Biss außer Gefecht setzte.
Ich selbst habe erst gestern eine Bohrmaschine zertrümmert, weil sie dem ihrer Dingheit innewohnenden Zweck nicht recht nachkommen wollte – und damit ihr „Seyn“ (Heidegger) verwirkt hatte. Erst danach stellte ich fest, dass die Maschine auf „Schrauben“, nicht auf „Schlagbohren“ eingestellt war. Egal. Der Akt zerstörerischer Gewalt gegen widerspenstige Dinge hatte etwas verstörend Befriedigendes. Das Geräusch zersplitternden Porzellans ist die blitzartige Entladung einer Aggression, die andernfalls als Groll nach innen wandern und dort schwelbrandartig weiterwesen würde.
Womit wir zweitens bei der Wärmflasche wären. Es ist die Wärmflasche ein Ding von glucksender Widerwärtigkeit. Ein Unding, das sich dem Menschen als bequemer Wohligkeitsbeschleuniger andient und so seine Bedürftigkeit nach Wärme vor Augen stellt. Ein qualliger Gummibeutel, der in seiner abgründigen Ästhetik an eine vollgesogene Zecke erinnert und einen deprimierenden Sanitätshausgeruch verbreitet, der unsere bevorstehende Hinfälligkeit olfaktorisch antizipiert.
Schnell erweist sie sich als „dann doch zu heiß“, eine schweißtreibende Bettgefährtin ohne die Vorzüge, die schweißtreibende Bettgefährten gemeinhin mit ins Bett bringen. Nachts hingegen ist die Wärmflasche als Lauwarmflasche im Weg, am Morgen als Kaltflasche von leichenhafter Zudringlichkeit und damit, nach Heidegger, von erwiesener Undinglichkeit.
Gewalt gegen die Wärmflasche ist also nicht nur legitim, sondern geboten – teuflischerweise aber unmöglich. Es empfiehlt sich schlicht nicht, dem dummen Ding durch Zerplatschen oder Zerstechen beikommen zu wollen. Ihre passiv-aggressive Natur verunmöglicht hier jedes auf Vernichtung zielende Unterfangen.
Wir sind, sprechen wir’s offen aus, als Spezies der Wärmflasche unterlegen. Sie ist ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst Heidegger hat darüber nicht lange nachdenken können, ohne kalte Füße zu bekommen.
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