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Die WahrheitStreicheleinheiten für alle!

Kolumne
von Yvonne Kuschel

Ob Pflanzen oder Katzen, alle Wesen gedeihen umso besser, je mehr sie mit zarten Händen getätschelt werden – selbst Autos.

F orscher wollen herausgefunden haben, dass Basilikum dichter wächst, wenn die Blätter täglich gestreichelt werden. Es gibt schon Gärtnereien, die selbstgebaute Streichelanlagen installiert haben und von unglaublichen Erfolgen berichten. Ich habe diese Vorrichtung gesehen! Sie erinnert entfernt an den unteren, bereits vorgeschnittenen Teil der „Katze entlaufen“-Zettel an Laternenmasten, auf denen Telefonnummern zum Abreißen stehen, nur im XXL-Format.

Diese Streifen sind, einer niedrig hängenden Neonleuchte ähnlich, an zwei Schienen unter der Decke angebracht und werden langsam hin und her über einen großen Tisch voller Basilikumtöpfe gefahren, berühren die Pflanzen und simulieren so ein Streicheln. Pflanzen scheinen doch nicht so schlau zu sein, wie Forscher behaupten, denn anscheinend freuen sie sich über die Berührung, ganz egal, ob es eine liebevolle Menschenhand oder schnöde Kunststoff- oder Stofflappen sind, die da streicheln. Und geben ihr Bestes!

Was für Basilikum gilt, hilft auch Dingen. Autowaschanlagen praktizieren schließlich Ähnliches. Wer schon mal eine automatische Waschanlage besucht hat, weiß, was ich meine. Blech ist zwar nicht so sensibel wie Blatt – und doch kommen die Karren nicht nur blitzblank, sondern auch irgendwie freudig strahlend aus der Behandlung. Wenn dann noch ein aufmerksamer Waschstraßenbegleiter die Scheiben mit einem Ledertuch trockenwischt, hat man da nicht das Gefühl, das Auto würde mit Zuckerbrot belohnt?

Meine beiden Katzendamen sind ebenfalls besser gelaunt, wenn sie genügend gestreichelt werden. Ihre Menschen fühlen sich auch gleich wohler, wenn sie ihre Hände zum Liebkosen lebender Wesen gebrauchen statt zum Streicheln ihrer mobilen Geräte. Wachsen auch Kopfhaare dichter, wenn man sie streichelt?

Unser Küchenboden brauchte dringend eine Streichelbehandlung mit Wischwachs. Der Weg zum Kühlschrank war ausgetreten wie ein Pfad im Wald von wilden Tieren. Der Mann im biologisch-korrekten Laden für Farben und Lacke nickte und verschwand im Lager. Nach einiger Zeit kam nicht er, sondern sein Chef zu mir und gestand, dass mein Lieblingswischwachs aus wäre. Aber er hätte Ersatz, hausgemacht und persönlich ausprobiert in seiner eigenen Küche. Gut, sagte ich, her damit! Unser Küchenboden freut sich über meine Zuwendung!

Die milchige Emulsion musste mit einem weichen Lappen eingerieben werden, ich robbte auf Knien durch den Raum. Danach glänzte das Holz wieder und der verräterische Pfad war verschwunden, aber ich bin mir sicher, meine Mitbewohner finden den Weg auch so. Wenn ich am Küchenfenster stehe und die Vögel an der Futterstelle beobachte, liebkose ich die Küchenkräuter, der Basilikumduft entfaltet sich unter meiner Hand und lockt Mozzarella und Tomate an. Mein Gaumen freut sich schon auf diese Streicheleinheit!

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