Die Wahrheit: Botaniker auf dem Land
Was geschieht, wenn die bekannten Verfahrensweisen in hoffnungslosen Situationen nicht mehr angewandt werden können? Eine Groteske nimmt ihren Lauf.
D ie Stadt war völlig von ihnen abgefallen, als die Botanikerin Boehm und ihr persönlicher Assistent Eich nach einer Tagesreise endlich auf dem Land ankamen. Eich wollte sich sogleich zur Nachtruhe begeben, doch Boehm forderte ihn auf: „Kommen Sie, sehen wir uns den natürlichen Schmutz an.“
Bei ihrem stillen Gang über Land fanden die beiden nur spärliche Vegetation und Steine vor, hier und dort ein paar Sträucher, sonst nichts. Natürlichen Schmutz schien es, zumindest auf den ersten Blick, nicht oder nicht mehr zu geben. Eich, der für Vorbereitung und Durchführung der Reise verantwortlich war, begann Hoffnungslosigkeit zu empfinden. In Gedanken ging er hastig alle zwei ihm bekannten Verfahrensweisen durch, die in hoffnungslosen Situationen angewandt werden konnten. Manchmal half angeblich Abtupfen des Himmels mit hochprozentigem Alkohol, doch stand Letzterer jetzt nicht zur Verfügung. Ebenso wenig kam das zweite Verfahren infrage, denn Eich kam in seiner momentanen Bedrängnis nicht darauf, worin es bestand.
Zwanghaft begann er deshalb, mutwillig daherzureden: „Im Louvre können Sie nachts bequem Großspenden aus Holz annehmen.“ Als Botanikerin ging Boehm aber nicht darauf ein, und weil Eich sich wie ein Trottel vorkam, wollte er seinen Ausfall am liebsten ungeschehen machen. Deshalb sagte er: „Es wäre übertrieben zu behaupten, im Louvre könne man nachts bequem Großspenden aus Holz annehmen.“
Boehm, die gar nicht zuhörte, sah erstaunt an sich hinunter. Schließlich sagte sie: „Ich kann mich nicht erinnern, heute diese Schuhe angezogen oder überhaupt jemals getragen zu haben.“ Begeistert, nun ein Gesprächsthema zu haben, doch absichtlich nicht in die Hände klatschend, erwiderte Eich: „Wenn man sich an alle Kleidungsstücke erinnern wollte, die man je getragen hat, käme man zu nichts im Leben.“
Diese Worte vermochten bei Boehm eine Erinnerung zu wecken. „Ich weiß es noch“, sagte sie versonnen, „wir lachten in unserer Kleidung. Zu ebener Erde standen wir im Freien vor dem Louvre. Soeben hatten wir eine namhafte Holzspende abgegeben und lachten befreit. Wir lachten gewissermaßen aus unserer Kleidung heraus, die uns fast ganz umhüllte, um uns eine Heimstätte zu gewähren in der Welt.“
„Es ist gut zu lachen“, sprach Eich affirmativ, „doch es ist auch gut, Holz gespendet zu haben.“ Leider war Boehm nicht daran interessiert, weiter über dieses Thema zu sprechen. „Kommen Sie“, sagte sie abermals, „wir sind hier, um uns den natürlichen Schmutz anzusehen. Lassen Sie uns mit offenen Augen über Land gehen.“ Ermüdendes Schweigen folgte, während unablässig über Land gegangen und der natürliche Schmutz gesucht wurde. Allmählich dunkelte es. Eich wies Boehm diskret darauf hin: „Am Abendhimmel sind Abendwolken.“
„Ja“, bestätigte Boehm, „es wird Abend, und die Müdigkeit erwacht.“
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