Die Wahrheit: Pluspunkte auf dem Kerbholz
Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Armin „Arminius“ Laschet, der lockerste Landesvater seit Menschengedenken.
Es kann nur einen Armin Laschet geben, und das kann nur Armin Laschet selbst sein. Es kann nicht Norbert Röttgen sein, der nach dem Startschuss der Coronaseuche monatelang spurlos verschwunden war und seine Kandidatur für den Stuhl des CDU-Vorsitzenden vermutlich bereits vergessen hat.
Es kann auch nicht Friedrich Merz sein, der gern starke Worte ausdampft, aber wenn's zum Stechen kommt, versagt wie beim letzten Shootout um den CDU-Vorsitz – und sich jetzt sogar von einem Virus niederstrecken und an die eigenen vier Wände fesseln ließ!
Es kann auch nicht Jens Spahn sein, der schon an dem Derby teilnehmen wollte und sich in die Startbox eingefädelt hatte, dann aber schlau genug war, ein paar Meter hinter Armin Laschet als sein Vizepartner ins Rennen zu gehen. Statt sein Ego aufzublasen, gibt er den sympathischen Mannschaftsspieler, anders als der Einzeltäter Merz.
Die Karten stehen gut für Armin Laschet. Sogar, dass die Seuche in seinem Homeland Nordrhein-Westfalen, im Kreis Heinsberg richtig aufplatzte, wusste er auf der Habenseite zu verbuchen, denn „nirgendwo sonst im Universum kann man die Ausbreitungswege dieses gefräßigen Virus so schön messen wie in der Todeszone Heinsberg“ (Wortlaut ähnlich).
Unzerrupfbares Image
Dass das Landesprogramm zur Soforthilfe für kleine Klitschen und ebensolche Freiberufler wegen geknackter Internetseiten zu Boden ging, konnte sein Image ebenso wenig zerrupfen wie das von seiner hohen Regierung zusammengewürfelte Ermächtigungs- und Infektionsschutzgesetz, das vom Parlament notdürftig im demokratischen Sinne gereinigt werden musste. Dass Laschet zudem schon wenige Minuten nach Beginn der Schutzmaßnahmen für einen zügigen Fahrplan zurück in den Alltag mit Shoppen und alles trommelte, trug ihm weitere Pluspunkte auf dem Kerbholz ein.
Die früheren Fettnäpfe sind vergessen und verziehen. Das mehrstellige Honorar seines wirklich gedruckten Sachbuchs „Die Aufsteigerrepublik“ vergaß das Schlitzohr in seiner Steuererklärung von 2009, setzte es aber zugleich als feine Spende ab. 2015 gelang ihm in seiner Nebentätigkeit als Dozent an der Technischen Hochschule Aachen das Kunststück, in seinem Seminar „Die Europarepublik der Berliner Politik“ (Titel ähnlich) alle Klausuren abhandenkommen zu lassen und dennoch zu bewerten. Der Pfiffikus erfand sogar mehr Noten als notwendig, indem er auch die Klausuren von Studenten benotete, die nicht mitgeschrieben hatten.
Man muss sich zu helfen wissen, das kommt beim guten Bürger an, der vom selben Stamme Nimm ist. Laschet wirft den Nebenjob ab, womit alles im Lot ist, und macht im Übrigen weiter, bis die Glocken wieder klingen.
Das tritt zwei Jahre später ein, als er bei den Landtagswahlen 2017 als Erster durchs Ziel geht und Hannelore Kraft als Landesmutter ablöst. Die Überraschung war groß, denn bis zu diesem Punkt schien es, als werde aus Armin Laschet nie der Armin Laschet, der er dann doch wurde.
Sein 1994 erzieltes Bundestagsmandat ging 1998 an eine Sozialdemokratin flöten, woraufhin er sich in Straßburg im Europaparlament zur Ruhe setzte. Zwar holte ihn Jürgen Rüttgers 2005 in seine angeborene Heimat zurück und postierte ihn fünf Jahre lang auf einem Stuhl in seinem Kabinett, aber nach Rüttgers’ Ende 2010 gelang es Laschet auf Teufel komm raus nicht, Boss der NRW-CDU oder wenigstens Fraktionsvorsitzender in Düsseldorf zu werden. Erst nachdem die CDU bei den Landtagswahlen 2012 mit Haut und Haaren untergegangen war, schob man ihm beide nun, so schien es, wertlose Posten zu.
Armin Laschet aber glaubte an den Sieg, und diesen Glauben verdankt er dem Glauben an den rechten Glauben. Laschet ist katholisch wie der Papst und war viele fleckenlose Jahre Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, ist überzeugter Karnevalist und lernte nach seinem ersten Atemzug 1961 katholische Kinderchöre und Jugendgruppen von innen kennen, auch seine nicht minder katholische Ehefrau.
Segensreicher Chefredakteur
1981 bewältigte er das Abitur am Bischöflichen Pius-Gymnasium in Aachen, ohne Schaden an Leib und Leben genommen zu haben, schnupperte ein wenig Jura, um sich den katholischen Burschenschaften Aenania München und Ripuaria Bonn eingliedern zu können, und leistete dann in Gottes Namen ein grundgütiges Volontariat ab, um von 1991 bis 1994 segensreicher Chefredakteur der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen und von 1995 bis 1999 lobesamer Leiter des katholischen Einhard-Verlages zu werden und zu sein.
Weil Armin Laschet in den neunziger Jahren in der heimlichen Pizza-Connection mit einigen Grünen vom selben Tisch aß, gilt er als von einer höheren Macht für eine schwarz-grüne Regierung auf Erden vorbestimmt. Denn wahrlich: Nicht allein Gott verzeiht, dass Ministerpräsident Laschet Dörfer, unter denen Braunkohle schläft, mitsamt dem Kirchturm abbaggern lässt; sondern auch die Grünen juckt das nur, bis sie an der Regierung sind und es verhindern könnten.
Am 1. Januar 2020 trat Armin Laschet in einem „Tatort“ auf und spielte Armin Laschet, der sieben „Tatort“-Kommissare auf „unkoventionelle Maßnahmen“ bei einer Ermittlung einschwor: „Ich weiß, dass Sie das nicht toll finden werden“, wusste Armin Laschet, und viele Zuschauer fanden den „Tatort“ mit Armin Laschet tatsächlich nicht toll. Aber seither ist Armin Laschet in zuvor ungekannter Fülle des Seins auch in den Fernsehnachrichten präsent, immer als Armin Laschet.
Noch ist er nur der Beherrscher des dicksten und schwersten Bundeslandes. Doch sitzt er erst mal fest im Sattel der Bundes-CDU, ist der Aufstieg vom Landesherrn zum Bundesvater vorgezeichnet: Nur einer kann die neue Angela Merkel werden, und das ist Armin Laschet!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?