Die Wahrheit: Schläfrig im Kettenpanzer
Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (96): Das Schuppentier gilt als einer der Hauptverdächtigen im Fall Corona.
Das ist nicht der Name eines mexikanischen Revolutionärs, sondern zweier uralter Säugetiere: des in Südamerika lebenden Gürteltiers (Armadillo) und des in Asien und Afrika beheimateten Schuppentiers (Pangolin), auch Tannenzapfentier genannt. Beide graben Höhlen und ernähren sich vor allem von Ameisen und Termiten, bei Gefahr können sie sich zu einer Kugel zusammenrollen. Der Panzer des Gürteltiers und die Schuppen des Tannenzapfentiers sind sehr hart und können nicht ohne Weiteres von Raubtieren durchbissen werden, gegen den Menschen helfen sie jedoch nicht.
Das Schuppentier ist das weltweit am meisten gewilderte Tier. Sein Fleisch gilt als Delikatesse, ein Kilo kostet 300 Dollar, und seine Schuppen werden zermahlen in der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendet. Das hat dieses Tier an den Rand der Ausrottung gebracht, wobei alle acht noch lebenden Arten bedroht sind. In Europa hält einzig der Leipziger Zoo Schuppentiere: zwei Formosa-Ohrenschuppentiere namens Quesan und Tou-Feng. Eigentlich will man mit ihnen züchten, aber ihre Ernährung ist in Gefangenschaft kompliziert: Sie bekommen einen Brei, bestehend aus Bienenlarven, Mehlwürmer, Apfel und Eigelb, gemixt und im Reiskocher sanft gegart, dazu ein bisschen Heilerde und Vitamingranulat.
Die im Kongo und in Uganda Gorillas medizinisch betreuende Tierärztin Ute Eilenberger schreibt in ihrem biografischen Bericht „Die Dschungelfrau“ (2004): „Das einzige, was man von den großen Schuppentieren im Wald je zu Gesicht bekam, waren ihre Bauten im Boden. Sie hatten so große Eingangsöffnungen, dass fast ein Mensch hätte hineinkriechen können.“ Es sind nachtaktive Tiere, und ihre Bauten haben mehrere Ausgänge. Die Bewohner im kongolesischen Urwald fangen gern Schuppentiere, töten sie und „legen sie mit ihren Schuppen einfach zum Rösten ins Feuer, wenn sie gar sind, kann man die verkohlten Schuppen wie die Blätter einer Artischocke abziehen und die fertige Mahlzeit genießen.“
Laut Ute Eilenberger gehören die Schuppentiere zu den wenigen Lebewesen, die nicht vor den gefürchteten Treiberameisen flüchten, im Gegenteil: „Sie öffnen ihre Schuppen und lassen sie die Parasiten wegfressen, die unter den Schuppen leben. Haben die Ameisen ihre Aufgabe erledigt, schließt der Wirt seine Schuppen, die Ameisen sterben und werden von ihm aufgefressen.“
Panzer aus verknöcherten Platten
Auch das Gürteltier wird in einigen Gegenden Lateinamerikas gegrillt gegessen. Sein aus kleinen verknöcherten Platten bestehender Panzer, der ihm über den Kopf reicht, nützt ihm gegen seinen Hauptfeind, den Menschen, nichts. Da bleibt ihm laut der Zeit „nur der Rückzug in seine Höhle, die es sich in sieben Metern Tiefe einrichtet und darin 16 Stunden verschläft.“
Das Gürteltier hat eine lange Schnauze, eine noch längere Zunge und große Ohren. Wenn es sich aufrichtet, sieht es aus, als hätte es sich ein Kettenhemd umgelegt, das anscheinend sogar kugelsicher ist. Die Welt berichtete: „In Texas wollte ein Mann mit drei Schüssen ein Gürteltier in seinem Garten töten. Doch er zog nicht den schützenden Panzer des Tieres in Betracht. An dem prallte eine Kugel ab – und traf den Schützen im Gesicht.“
Die bei Bremen ansässige Firma PSV, die Panzerautos herstellt, hat ein Gürteltier als Logo und deswegen die Patenschaft für das im Berliner Zoo lebende männliche Weißborsten-Gürteltier namens Horst übernommen, das dann mit dem weiblichen Gürteltier Franzi Nachwuchs zeugte. Die Geburt gilt als spektakulär, denn Zuchterfolge sind bei dieser Spezies selten.
Die beiden Jungtiere sind der erste Gürteltiernachwuchs seit 1945 im Berliner Zoo, wie ein Sprecher mitteilte. Im Dortmunder Zoo befestigte die Tierpflegerin am Schwanz des dort lebenden Weißborsten-Gürteltiers Kasimir einmal für einige Tage einen Schrittzähler. Das Ergebnis war überraschend: In seinem nicht eben großen Gehege legte es täglich fast sechseinhalb Kilometer zurück und das auch noch, obwohl es ein nachtaktives Tier ist, am helllichten Tag.
Die Weltnaturschutzunion (IUCN) sieht das Gürteltier nicht vom Aussterben bedroht, jede der noch lebenden 21 Arten ist jedoch unterschiedlich stark gefährdet. Unter anderem werden sie in der Andenregion bei der Herstellung eines Musikinstruments genutzt: des Charangos, ein ursprünglich aus den Alpen stammendes Saiteninstrument, das zum Teil aus Holz gefertigt wird, dessen Korpus aus dem ausgehöhlten Panzer eines Gürteltiers besteht. In der brasilianischen Savanne ist es der zunehmende Anbau von Gensoja, der ihnen den Lebensraum nimmt, wie Greenpeace berichtete.
Sexpartys mit dreizehn Teilnehmern
Die in Brasilien Ameisenbären studierende Biologin Lydia Möcklinghoff, will, wenn sie in Rente geht, Gürteltiere erforschen, die ebenfalls, wie sie dem Deutschlandfunk sagte, noch „ganz unerforscht“ seien. Aber sie lassen sich in der freien Wildbahn Brasiliens beobachten und legen zum Teil ungewöhnliche Verhaltensweisen an den Tag. „Wir wissen Sachen über sie, die in der Literatur unbekannt sind. Zum Beispiel veranstalten sie Sexpartys. Die sind eigentlich immer einzeln unterwegs, und auf einmal sieht man dreizehn Gürteltiere auf einem Haufen, überall sitzen sie aufeinander, und machen da ihre kleinen Partys. Da gibt es viele Fragen: Zum Beispiel, wie verabreden die sich?“
Erst einmal drehte jedoch ein deutsches Naturfilmteam bei ihr in Brasilien eine dieser „Sexpartys“, dazu schreibt Lydia Möcklinghoff auf ihrer Internetseite: „Aufnahmen von vögelnden Gürteltieren fürs deutsche Fernsehn gibt’s jetzt also zuhauf. In allen Posen, allen Kombinationen, riesige Penisse die sich wie Partytröten ausrollen, sechs Gürteltiere in Polonaise hintereinander herrennend, wie alle sich einbuddeln, vier Gürteltiere in einer Höhle – und dann hört man nur noch leise ‚Blue Hotel‘ von Chris Isaak da unter der Grasnarbe spielen. Irgendwann hat das Weibchen keinen Bock mehr und quetscht sich unter einem niedrigen Zaun durch. Das Männchen, das gerade begattend auf dem Rücken hängt, wird dabei frontal gegen das Zaunbrett gezimmert und perlt nach hinten runter ab. Das Weibchen trabt davon, um endlich Ruhe zu haben, aber schnell nehmen vier andere Männchen die Verfolgung auf.“
„Wie sieht es eigentlich mit der Verbreitung der ‚ventro-ventralen Kopulation‘, also der ‚Missionarsstellung‘, im Tierreich aus?“, fragte Die Zeit – und zählte sogleich einige Säugetiere auf, ein Sonderfall sei dabei das Gürteltier, denn „man kann sich leicht vorstellen, dass der Panzer andere Arten des Geschlechtsverkehrs verhindert“.
Der Schweizer Blick meldete unterdes: „Unbändiger Sexualtrieb“ – „Ein liebestolles Gürteltier fällt in Brasilien völlig hemmungslos über das Bein einer Frau her.“ Da das deutsche Tierfilmteam noch nicht bei den Schuppentieren war, „ist über das Paarungsverhalten der Schuppentiere noch wenig bekannt“, heißt es auf Wikipedia.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu