Die Wahrheit: Frittiert und zermürbt in Austin
In Texas gehen die Uhren anders. Dort wird der Coronavirus mit reichlich Gesottenem und zweifelhaften Kommentaren bekämpft.
E s ist ja nicht so, dass ich mich nicht vorbereitet hätte: Vor dem Essen, nach dem Essen – Zähneputzen nicht vergessen! Dann die Hände waschen und dabei zweimal im Kopf „Happy Birthday“ singen.
Schließlich morgens, mittags und abends auf Facebook nachgucken, was Christian Y. Schmidt, das Orakel aus dem Morgenland, diese eindrucksvolle Mischung aus Grumpy Cat und einem chinesischen Faltenhund, zum Virus zu verlautbaren hat. Das übliche Corona-Programm also. Aber die Reise nach Texas war schon gebucht, und das Orakel aus dem Spätabendland, Donald Trump, hatte gerade erst versichert, dass es in den USA absolut kein Problem mit dem Coronavirus gebe.
Doch die Amerikaner sind nicht so cool wie ihr Präsident. Im Supermarkt stehe ich verblüfft vor leergeräumten Regalen für Desinfektionsmittel. Verdammt. Mein Plan zur Refinanzierung droht zu scheitern. Auch beim Klopapier: gähnende Leere. In einem Supermarkt in den USA! Wie ein kleines Mahnmal hängt davor noch ein Schild, das verkündet, jeder Kunde dürfe nur zwei Einheiten kaufen. Warum eigentlich horten alle ausgerechnet Klopapier, wenn die Welt untergeht? Mir würden auf Anhieb ja ungefähr 137 Artikel einfallen, die mir weit wichtiger scheinen als Klopapier. Was wissen die, was ich nicht weiß? Ist da etwa eine große Verschwörung im Gang?
Offenbar ja. Davon berichten jedenfalls die Kommentatoren von Fox News und anderen unabhängigen Medien. Einer erklärt, dass das Virus ein biologischer Kampfstoff der Chinesen sei, um die US-Wirtschaft zu schwächen. Ein anderer behauptet, es sei der Versuch der Demokraten, das Impeachment noch durchzusetzen. Trump selbst vergleicht es mit der Grippe, die viel mehr Opfer fordere.
Womit er analog zu Dieter Nuhr argumentiert, der sich beklagt, dass er nicht auftreten dürfe. Lasst ihn doch! Vor möglichst vielen Leuten! Ein Dieter-Nuhr-Programm hält der härteste Krankheitserreger nicht aus, bei seinen Witzen implodieren zermürbt selbst widerständigste Viren. Der Kabarettbeamte wirkt besser als ein Vollbad in Sterilin!
In Texas hat das Virus ohnehin keine Chance, sich zu verbreiten, denn hier wird einfach alles frittiert. Zwiebelringe sowieso, aber auch Artischocken und sogar Snickers, vermutlich für bereits an Covid-19 Erkrankte gibt es überall gar „Fried Butter“, kein Witz. Die heißt nicht nur so, es ist auch, wonach es klingt. Warum auf einen Impfstoff warten, wenn frittierte Butter schon erfunden ist?
Andere Länder sind leider nicht so fortschrittlich, weshalb Trump soeben ein Einreiseverbot für Europäer erlassen musste. Weil wir noch so lange Leute aus China reingelassen haben, beispielsweise Christian Y. Schmidt. Wegen ihm sitze ich nun womöglich fest in Texas, denn die Flugzeuge werden ja wohl kaum One Way fliegen. Austin, wir haben ein Problem. Nun warte ich gespannt auf meinen Evakuierungsflug durch die Bundesregierung. Stay tuned!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören