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Die WahrheitAlt-Metal mit Herzensbildung

Frank Schäfer
Kolumne
von Frank Schäfer

Silberrücken, Graubärte, Blaupillen und faltige Indianersquaws steuern die ehernen Musikpaläste an, um es in den Ohren richtig scheppern zu lassen.

S tefan ist ein ruheloser Vollnerd. Nach zwei Bypässen schwappte seine jahrelang auf Zimmerlautstärke heruntergedimmte Metal-Passion endlich wieder in den roten Bereich. Es war der kleine Gruß vom Getriebe, der ihn daran erinnert hat, worauf es wirklich ankommt im Leben. Herzensbildung! Seitdem macht er, so oft es geht, Bildungsreisen zu den ehernen Spielstätten der Republik.

Heute spediert er uns nach Hamburg, ins Bambi Galore, wo unsere Generationskohorte zu ganz großer Form aufläuft – die Altliga in Gestalt von Girlschool, Praying Mantis und Demon. Man erwartet entsprechendes Publikum: Silberrücken, Graubärte, Blaupillen und faltige Indianersquaws. Es sind auch wieder alle da, nur die Komantschinnen fehlen. Mädchen bekommen diese sogenannte Alterswürde doch besser hin als wir mit dem Aktenzeichen XY.

Die Pflegekräfte hinter dem Tresen sind vorbereitet, sprechen laut und artikuliert und haben die Nachsicht eingebaut, wenn die Forderungen ihrer Patienten mal wieder allzu unverschämt werden. Als Stefan irgendwann einen Kaffee verlangt, weil er als Fahrer langsam mal damit anfangen muss, die fünf Bier zu neutralisieren, schüttelt die Stationsschwester verständnisvoll, aber auch entschieden den Kopf.

„So ein Getränk wird bei dieser Art von Veranstaltung sehr selten nachgefragt!“ – „Danke für diese erschöpfende Auskunft“, gibt Stefan freundlich zurück. „Dann halt ein Bier, aber dieses bayerische, ich muss noch fahren.“

Es gibt noch andere Die-Hard-Fans wie ihn, die bereits ihr persönliches Memento mori erlebt haben – Satz neuer Ohren, künstliche Hüfte, zweiter Ausgang – und die nun ebenfalls mitnehmen, was geht. Einer will tags darauf zu Angel Witch, wenn er das bis dahin nicht vergessen hat. Ein anderer lahmt etwas, weil er gestern bei Nitrogods war, wie er mit schmerzverzerrtem Lächeln erzählt. Damit erntet er beim tüddeligen Angel-Witch-Fan allerdings skeptische Blicke. „Nitrogods? Gibt’s doch gar nicht, den Namen haste dir gerade ausgedacht.“ Glücklicherweise sind die Umstehenden anderer Meinung. Er klingt so überzeugend, für einen Moment habe ich selbst meine Zweifel.

Auf der Bühne hingegen weht ein frischer Wind. Alte Schlachtrösser erleben hier ihren dritten Frühling. Tino Troy von Praying Mantis sieht mittlerweile zwar aus wie Gollum – aber in Gut. Er schlackert unsinnig mit den dünnen Ärmchen, schneidet ganz liebe Grimassen und freut sich so sehr, noch einmal „Panic In The Streets“ spielen zu dürfen, dass einem ganz anders wird.

Und Girlschool klingen sowieso, als hätten sie erst letzte Woche ihren Proberaum bezogen. Wer sich in vierzig Jahren eine solche instrumentale Unbelecktheit und spielerische Verbumfidelei bewahren kann, der hat auch ohne zwei Bypässe immer schon gewusst: So ein Leben ist zu kurz, um es mit absurdem Kleinscheiß wie Üben zu verdaddeln.

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Frank Schäfer
Lebt als Schriftsteller in Braunschweig. Neben Romanen und Erzählungen erschienen diverse Sachbücher und Essaybände zur Literatur- und Kulturgeschichte. Zuletzt: Henry David Thoreau – Waldgänger und Rebell. Eine Biographie (Suhrkamp); Hühnergötter. Roman (Limbus); Notes on a Dirty Old Man (Zweitausendeins).
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12 Kommentare

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  • Auf die Gefahr hin, eine Spaßbremse zu sein: Der Begriff "Squaw" wird von Indianerinnen als rassistisch empfunden.



    Über Metal im Ohr und der Hüfte lässt sich sicher schlechter streiten.

    • Frank Schäfer , Autor des Artikels,
      @aujau:

      "Indianer" geht ja auch schon nicht ... Aber ich bezeichne damit ja keine native americans, sondern native metallians ... Darf man das auch nicht? Ich frage im Ernst. FS

      • @Frank Schäfer:

        Native Metallians können Sie bezeichnen wie Sie möchten.

        Zum Begriff "Squaw" wollte ich an dieser Stelle dann doch nicht schweigen. Ihr Einwand, dass der Begriff "Indianer" zu hinterfragen ist, ist allerdings korrekt.

        • @aujau:

          Hi Frank - ok helf mal weiter - Fup - by Jim Dodge - Übers. - klar Harry Rowohlt

          ” Als er eines Nachts von einem Kartenspiel in Nevada City auf eine Gasse hinaustrat, um zu pissen, sah er einen alten Indianer gekrümmt an einer Mauer liegen. Als Jake zu ihm ging uns sich bückte, um ihm aufzuhelfen, sah er, dass mehrmals auf den Mann eingestochen worden war und er im Sterben lag. Jake wandte sich, um Hilfe zu holen, aber eine eiserne Hand packte ihn am Fußknöchel. „Ey, Partner“, sagte Jake, „Ich war's aber doch nicht. Ich will nur einen Doc holen.“ Der Indianer schüttelte den Kopf, ließ aber Jakes Knöchel los und bedeutete ihm, näher ran zu kommen. Als Jake neben ihm kniete, drückte der Indianer ihm ein Stück Papier in die Hand und flüsterte im Sterben keuchend und gurgelnd: „Trink dies. Sei still. Du wirst ewig leben.“ Jake faltete den Zettel auf. Es war ein Rezept für Whiskey. „Sieht nicht aus, als wäre es dir so übermäßig gut bekommen“, sagte er zum Leichnam des Indianers. …

          www.deutschlandfun...m:article_id=81023

          & Däh - tonn End - 🧐



          “… Am Ende der Geschichte von Graddaddy Jake, Tiny und der Riesenente Fup steht die Einsicht, dass die Unsterblichkeit ein Zustand ist, der spätestens mit dem Tod endet, und dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, vor denen der Verstand wohl oder übel – auch wenn kein Mensch begreift, warum – kapitulieren muss.

          Es ist einfach nicht möglich, manche Sachen zu erklären, vielleicht sogar die meisten Sachen nicht. Es ist interessant, sie zu bestaunen und ein paar Vermutungen anzustellen, aber die Hauptsache ist, dass man sie akzeptieren muss – sie als das nehmen, was sie sind, und weiter im Text.“ Yes.

          Herzlich …& servíce - …Lowie

          unterm— & - 🎏



          “Zur Kunst des Verschwindens“ - ein andermal 🥳 'Die Kunst des Versiebens'



          www.u-lit.de/rezen...-verschwinden.html



          Vorwort Thomas Pynchon 👺

    • @aujau:

      Ach was! Howgh - ich habe gesprochen.

      unterm——-



      “Das Wort Squaw [skwɔː] ist in den heute ausgestorbenen östlichen Algonkin-Sprachen Neuenglands das Wort für „Frau“. Es wurde im 17. Jahrhundert aus der Massachusett-Sprache ins Englische entlehnt und bezeichnet dort heute eine indianische Frau.



      & Däh



      Gegen Mitte der 1990er Jahre kam eine bald von vielen Indianerverbänden unterstützte Kampagne auf, die das Wort zu einem rassistischen Schimpfwort (Ethnophaulismus) deklarierte und forderte, es aus dem allgemeinen Sprachgebrauch zu verbannen und die zahlreichen Orte in den USA, die das Wort enthalten, umzubenennen. Die Kampagne fußte auf der Behauptung, dass das Wort von der irokesischen Bezeichnung für Vagina (etwa Mohawk ojiskwa) abgeleitet sei. Obwohl diese Etymologie wissenschaftlich unhaltbar ist, wurden in Minnesota und Arizona tatsächlich Ortsnamen geändert.[2]

      Eine andere Version besagt, dass das Wort „Squaw“ von den Weißen zu einem Schimpfwort für die indianischen Frauen weißer Siedler umfunktioniert wurde. Auf Grund des Frauenmangels in den Grenzgebieten im Westen kam es häufig zu solchen Partnerschaften.“

      kurz - pc-ler sucht‘s euch raus.

      Laßt aber andere damit unbehelligt.



      Dank im Voraus.



      de.wikipedia.org/wiki/Squaw

      • @Lowandorder:

        Wir sollten allerdings die Bezeichneten mit unseren gemütlichen Selbstverständlichkeiten unbehelligt lassen, wenn es als abwertend empfunden wird. Dank im Voraus.

        • @aujau:

          Mach Bosse - Freak out - Sie sann eine indianische Squaw heavy auf Alt-Metal-Trip?! Da kanns mal sehn. 🥳

          kurz - Ansonsten is ehras doch hier meilenweit - nicht zu sehen. Newahr.



          Normal.

  • *1966 - Ach was! - & Däh Salem's Law – Tale Of Goblin's Breed, ZYX Metallic 1989 -



    &



    m.youtube.com/watch?v=HzbGFWTzDdk



    &



    Wußt ich‘s doch - “…vor denen mich meine Eltern immer gewarnt haben.“ 🥳 🥳 🥳



    & “Blue Note“ Hildesheim - 4 Uhr morgens -



    Aber - “Ben Webster kam bis Göttingen.“



    &



    (“Hab nie wieder jemanden so besoffen - so gut Sax spielen hören.“



    (Birger Sulsbrück;))

    unterm—— Ooch wieder wahr -



    “ No Sleep till Nörgelbuff



    Göttingen, ach Göttingen! Nicht nur die französische Chanteuse Barbara verdankt der Stadt unvergessliche Erlebnisse … by klar 👻 👻 👻



    taz.de/Die-Wahrheit/!5559637/

    • Frank Schäfer , Autor des Artikels,
      @Lowandorder:

      Hi Lowandorder,



      danke für die Annotationen und den Link ... Lange nicht mehr gehört!



      Beste Grüße von Frank

      • @Frank Schäfer:

        Na Ehrensache…servíce 🎏

        & die eine eine Frage -



        Ich kann das Orijinol “ Ben Webster …



        Nicht finden inne taz. Das ist doch von Ihnen? - oder rieselt der Kalk?

        (ps - das mit Blue Note & 4 Uhr - muß Anfang/Mitte 90er gewesen sein.



        Gebucht waren wir für 21 Uhr - & der Sänger lag at last mit Shure 58 rachial - auf der Bühne & wir ham uns mit zwei Hörnern - black&white - den Arsch abgespielt. Ob da noch welche im Vollschatten downunder waren? Keine Ahnung. Anyway - Unvergessen. 😎

        • Frank Schäfer , Autor des Artikels,
          @Lowandorder:

          Nee, das war ich nicht, glaube ich. Ben Webster in Göttingen? Von mir? Kann mich nicht erinnern, sorry.



          Herzlich, FS

          • @Frank Schäfer:

            Schade.

            Die Story geht ~~ etwa so.



            Sehr - Vorgerückte Stunde im Blue Note.



            Bahnhof Göttingen Anruf. Sie hätten hier einen Neger mit Hut & ner leeren Whiskey-Flasche & nem Saxophonkoffer



            Der behaupte - er solle im Blue Note spielen.



            “Ja - auf den warteten sie. Ab in den Zug & gut is!“ - DB - “MOMENT!!!“ - WER - klar wer zahlt & wie usw usf -



            Lösung erinner ich nicht mehr.



            Aber klar - Ben Webster spielte sich dann noch bis zum Morgengrauen den Arsch ab im Blue Note in Hildesheim.



            Alles meisterhaft erzählt.

            Anyway - All best - Lowandorder 👺