Die Wahrheit: Schuffliges Schreberdeutsch

Jetzt unter einem uralten Komposthaufen entdeckt: die Geheimsprache des Gärtnerns. Wie Pflanzenfreunde den Dialog mit ihren Schützlingen pflegen.

Bei manchen Schrebern fliegen die grünen Fetzen Foto: ap

Die Gauner haben ihre Geheimsprache, das Rotwelsch, die Rechtsanwälte sprechen juristisch, damit sie niemand vor Gericht versteht, und die neuen urbanen Gärtner sprechen Schreberwelsch. Das ist eine uralte Geheimsprache, die gewöhnlich zwischen den Schrebern und ihren Pflanzen gepflegt wird.

Ihr Werkzeug nennen die gärtnernden Sonderlinge HippeI, Zickel, Schuffeleisen, Karst, Patsche oder Kratzer. Eine Verwechslung kann fatale Folgen für das zarte Pflänzchen haben, das der Gärtner liebevoll mit Schössling, Keimling, Pflänzling oder Setzling anspricht. Der kleine Setzling muss erst zur Pflanzschule, und wenn er versetzt wird, dann meist in ein Frühbeet.

Später werden die groß gewordenen Setzlinge vom strengen Schreber sorgfältig pikiert oder verschult, mit anderen Worten, sie werden auseinander gesetzt. Notorische Störenfriede kommen natürlich in das Beet in der ersten Reihe. Dort blicken die Sprösslinge dann schuldbewusst auf den rigolten Rabattenboden, der vom fleißigen Schreber doppelt umgegraben wurde. Sie sehen, wie der Schreber mulcht und jaucht, kompostiert, beizt und die Grasnarbe gutgelaunt vertikutiert.

Sind die kleinen Bäumlinge im Obstgarten dann zu erwachsenen Obstbäumen herangewachsen, geht’s richtig zur Sache, denn der moderne Gärtner überlässt das Fortpflanzungsgeschehen keinesfalls den Bienen. Der Schreber und die Schreberin kopulieren und okulieren in den Spalieren, was das Pfropfreis hält! Wer hier pikiert innehält, möge die Schamesröte beiseitewischen: Beim Kopulieren und Okulieren werden dem Obstbaum nur fremde Pfropfköpfe aufgesetzt. Der entsetzten Mutterpflanze kann aber auch ein gefürchteter Schröpfschnitt blühen, bei dem ein Schnitt in die Rinde das Wachstum anregen soll.

Jeder Schreber, der sich bei dieser Lektüre verwirrt am Schröpfkopf kratzt, sollte die goldenen Schreberregeln studieren, die im traditionellen Regelbuch des Schrebers festgehalten sind. Dort heißt es dann zum Jahresanfang des Gärtners: „Den Winter soll der Teufel holen, / die Schreber fluchen und rigolen. / In den Monaten April und Mai / spalieren wir, viel Spaß dabei! / Im Sommer jauchen und pinzieren, / wir jäten, mulchen und pikieren. / Im Oktober Bäume kalken, / danach in die Kneipe walken. / Wer später im Dezember friert, / hat nicht genügend destilliert!“

Und im neuen Jahr? An der Volkshochschule unbedingt den Kurs „Schreberdeutsch für Anfänger“ belegen.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.