Die Wahrheit: Dienstleistungshölle für Dummies
Viele wehren sich dagegen, staatliche Dienstleister zu verscherbeln, doch die irischen Postdumpfbeutel liefern Privatisierern die besten Argumente.
D ie irische Post hat zu Weihnachten wieder ein gutes Geschäft gemacht. Die halbe Nation schickt der anderen Hälfte eine Weihnachtskarte – und umgekehrt. Wer die Karten ohne Umschlag versendet, gilt als knauserig. Internet und E-Mail haben diesem Brauch nicht allzu viel anhaben können. Was ist schon das Öffnen eines E-Mail-Anhangs mit grässlich gekleideten Rentieren im Vergleich zum Öffnen eines Briefumschlags mit einer geschmackvollen Weihnachtskarte?
Außerdem kann man E-Mails nicht über dem Kamin aufhängen und damit angeben, wie viel Freunde in aller Welt man hat. Die Karte vom Weinhändler seines Vertrauens an „meinen besten Kunden“ muss ja nicht ganz vorne hängen.
Trotz des Weihnachtsgeschäfts ist die Post fast pleite und schließt viele Dorfpostämter. Um aus den roten Zahlen zu kommen, erhöht sie außerdem ständig das Porto. Wer sich einen Vorrat angelegt hat, ist gelackmeiert. Ich wollte ein paar 15-Cent-Marken kaufen, weil das Auslandsporto von 1,35 auf 1,50 Euro gestiegen ist, aber der Beamte in der Dubliner Hauptpost weigerte sich, die Marken herauszurücken. Zwar gibt es Schalterautomaten, bei denen er einfach den gewünschten Wert eingeben könnte, aber das tat er nicht.
Ich müsste beweisen, dass ich 15-Cent-Marken benötige, indem ich ihm die mit 1,35 Euro frankierten Auslandsbriefe vorlege. Dann werde er die zusätzliche Marke aufkleben. Ich renne doch nicht für jeden Brief aufs Postamt, sagte ich. Wozu gebe es denn Briefkästen? Ob er glaube, dass ich mit den 15-Cent-Marken meinen Flur widerrechtlich tapezieren wolle?
Es nützte nichts. Die Post gehört zu den unfähigsten Behörden Irlands. Da kämpfen Organisationen gegen Versuche, staatliche Dienstleister zu verscherbeln, und dann liefern diese Postdumpfbeutel den Privatisierern die besten Argumente.
Das philatelistische Büro der Post ist das Zentrum der Dienstleistungshölle. Sammler sind seine Feinde. Mein Nachbar wollte sich ein paar 10-Cent-Marken aus dem Schalterdrucker eines Dorfpostamts, wo die kundenfeindliche Direktive aus Dublin noch nicht angekommen war, mit Ersttagsstempel versehen lassen. So schickte er sie ans Philateliebüro in Dublin und legte einen frankierten Rückumschlag bei. Zwei Wochen später erhielt er die Marken zurück – ungestempelt. Im Begleitbrief hieß es, die Marken können nicht abgestempelt werden, weil ihr Wert nicht dem gültigen Porto entspreche.
Dabei wurde für das Entwerten der Marken überhaupt keine Gegenleistung verlangt. Stattdessen schrieb der Beamte einen Brief, was wesentlich länger dauert als das Stempeln der Marken, und schickt auch noch den frankierten Rückumschlag unbenutzt zurück.
So wird das nichts mit der Rettung der Post. Nächstes Jahr will mein Nachbar dem Beamten das Buch „BWL für Dummies“ zu Weihnachten schenken. Falls es die Post dann noch gibt.
Frohes neues Jahr!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann