Die Wahrheit: Görenabgabe für drollige Zwerge
Die Namensgebung von Kindertagesstätten folgt ureigenen Gesetzen. Ein Trend geht in Richtung süß mit mindestens drei ü.
Eine Übersicht brachte es vor einiger Zeit zu Tage: Der beliebteste Kita-Name des Landes ist „Regenbogen“, gefolgt von „Sonnenschein“ und „Spatzennest“. Das ist nicht gerade originell, aber immerhin weniger blöd als die Bezeichnungen von Frisörläden, dem traditionellen Tummelplatz dumpfester Wortspiele. Doch mit hübschen Namen allein ist es nicht getan. Zumal viele Eltern bezweifeln, dass eine Kindertagesstätte mit einem Allerweltsnamen ein Betreuungskonzept zu bieten vermag, das ihrem Premiumkind angemessen ist.
Auf der langen Liste der Dinge, die diesem Land fehlen, stehen seit einiger Zeit Kitaplätze ganz oben. Offenbar gibt es zu viele Kinder und zu wenige Kitas. Vielleicht auch beides, die Lage ist komplex und unübersichtlich. Die Städte und Gemeinden zucken mit den Schultern, wenn sie überhaupt welche haben. Sie haben ja sonst nichts. Manche haben zwar die üppigen Steuereinnahmen klug investiert, etwa in die vorsorgliche Asphaltierung unnützer Grünflächen und in diverse Machbarkeitsstudien, aber nun ist das Geld weg.
Wenn dann aber doch irgendwo einmal ein neuer Kindergarten eröffnet werden kann, muss dieser auch einen Namen bekommen. Der wird mal von oben festgelegt und mal per Abstimmung unter den Betroffenen ermittelt. Aber nach welchen Kriterien? Wäre es denkbar, dass Behörden einschreiten, wenn ein freier Träger seine Kita „Margot Honecker“ nennen möchte?
Kita Kacke
Es könnte so einfach sein. Die Kita liegt am Stadtwald? Dann soll sie Kita „Am Stadtwald“ heißen. Liegt sie am Rieselfeld, dann Kita „Kacke“. An der A2 Richtung Hannover? Dann Kita „Nix wie weg! Ach nee, Hannover. Dann bleiben wir doch lieber hier!“, und so weiter.
Im Trend liegen Stätten mit besonderen Profilen. Bewegungskita, Waldkita, Kreativkita – das Kind soll schließlich später einmal in seine erste Bewerbung nach dem abgeschlossenen Studium hineinschreiben können, dass es seine Problemlösungskompetenz sowie die Fähigkeit, andere zu begeistern und zu führen, schon frühzeitig entwickelt hat. In einem streng reformpädagogisch orientierten Kindergarten wurden die Eltern im Vorstellungsgespräch gefragt, ob sie zu Hause einen Fernseher hätten. „Nein, natürlich nicht!“, haben sie geantwortet und daraufhin den Platz bekommen. Geschwindelt hatten sie nicht, denn sie haben nicht einen Fernseher, sondern drei, die aber nicht alle gleichzeitig laufen, jedenfalls nicht immer.
Von den Fabelwesen findet bei der Namensgebung nur der Zwerg Verwendung, unter den Tieren allein die Maus und ihr geflügelter Bruder, der Spatz. Eine Kita „Akephalos“, was ein unheilbringender kopfloser Dämon ist, oder eine Kita „Kopflaus“, was immerhin einen Bezug zum Alltag der Einrichtung hätte, sucht man vergebens.
Sind Igel denn bilingual?
Aber es gab durchaus einmal den Vorschlag, eine neue Kita „Hedgehogs“ zu nennen. Mit der Begründung, dass es ein bilingualer Kindergarten sei. Ungestellt bleibt in solchen mit großem Eifer geführten Diskussionen die Frage, wieso das englische Wort „hedgehogs“ bi ist und das deutsche Wort „Igel“ nicht.
An anderer Stelle sollte eine Kita „Glühwürmchen“ heißen. Eine Mama greinte sofort los: Glühwürmchen klinge ja erst mal süß. Aber das Glühwürmchen als Tier sei total hässlich, sie habe sich mal eins angesehen. Die Lösung könnte sein, dass die Kita nur hässliche Kinder hässlicher Eltern aufnimmt und das auch so kommuniziert. Das wären zwei Fliegen mit einer Klappe: klares Konzept und Alleinstellungsmerkmal!
Gelegentlich werden Kofferwörter in Betracht gezogen: „Krokofant“ (aus Krokodil und Elefant) zum Beispiel. In der Regel lautet die Begründung, dass so etwas „süß“ ist. Wie aber wäre es mit „Skorpatte“ (aus Skorpion und Ratte)? Oder, um das Tierreich zu verlassen, mit „Bromrabi“ (aus Brombeere und Kohlrabi)? „Knalllattich“ (aus Knallerbse und Huflattich)? „Streptoberkel“ (Streptokokke und Tuberkel)? Auch alles auf seine Weise süß, mit mindestens drei ü.
Kita Kundus
In Bekenntniskindergärten geht es namenstechnisch zumeist unauffällig zu. Allerdings heißen katholische Kindergärten schon mal offensiv „Unsere Liebe Frau“ oder „Heilige Familie“. Evangelische hingegen nennen sich recht profan „Sonnenblume“ oder auch „Kleine Strolche“ – letzteres ist nicht unsympathisch, denn so viel Selbstkritik findet man in der Kirche ja sonst eher nicht.
Es ist eine eigene Welt. Nicht alles erschließt sich sofort: Werden Kinder in von der Arbeiterwohlfahrt betriebenen Einrichtungen auf ein Leben mit Hartz-IV vorbereitet? Oder müssen Mütter und Väter dort Schwielen an den Händen vorweisen – weil sie ja Arbeiter sind? Wird es dank der Verteidigungsministerin bei der Bundeswehr bald Betriebskindergärten geben, die dann „Auslandseinsatz“, „Kundus“ oder „General Winter“ heißen?
Luxusprobleme, werden jetzt viele denken. Gerade in Ballungsräumen wie Berlin oder Leipzig sind Eltern allerdings froh, wenn sie ihre Göre tagsüber überhaupt irgendwo abgeben können. Da kann man nicht wählerisch sein. Weswegen selbst Konzeptkitas mit Namen wie „Pädagogik – wenn ich das schon höre!“ oder „Das hat noch niemandem geschadet!“ auf Jahre ausgebucht sind.
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