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Die WahrheitVon Genesis bis Exodus

René Hamann
Kolumne
von René Hamann

Warum man bei manch biblischen Namen weniger an Flüchtlinge und Rettungsschiffe denken muss als an popkulturelle Töne.

I m Anfang war der Ton und ein Rotlicht, das sagte: Achtung Aufnahme. Im Anfang war „Where the Sour Turns to Sweet“ von der Platte „From Genesis to Revelation“. Irgendwann endete es mit Adam, gespielt von Phil Collins, an dem das einzig Besondere sein Gang war. Aber dieses irgendwie traurige Ende war damals, also am Anfang der ganzen Chose, noch gar nicht abzusehen.

Es tut mir leid, ich bin popkulturell versaut. Wenn ich das Wort „Genesis“ höre oder lese, dann denke ich nicht zuerst: Bibel, Garten Eden, Apfel, Schlange, Sündenfall – ich denke: Peter Gabriel, Phil Collins, Mike Rutherford und der eine, den man immer vergisst.

So geht es mir mit vielen Dingen: Als die Rede von dem Schiff war, das von Libyen aus eine Odyssee durchs Mittelmeer hinlegen musste, weil der italienische Innenminister die Häfen wegen der Geflüchteten schließen ließ, dachte ich: wie toll, ein Schiff namens „Aquarius“! Wie dieser Song aus „Hair“! „This is the dawning of the age of Aquarius“! Das Zeitalter des Wassermanns ist angebrochen! Und, ist es das nicht irgendwie auch?

Kann ja kein Zufall sein, dass so ein von einer NGO betriebenes Schiff ausgerechnet „Aquarius“ heißt. Will aber niemand so recht wahrhaben. Namen sind Zufall und bedeuten nichts, denken die meisten, aber dass das nicht stimmt, ganz im Gegenteil, das wissen nicht nur Lacanianer und ich.

Unter der „Aquarius“ stelle ich mir also ein behaartes oder besser: langhaariges Schiff vor. Ein Schiff, das meterlange Haare submarin hinter sich herzieht. Das Haar des Wassermanns. Die Haare von Meerjungfrauen. Seehaare, Tang und Algen, die sich am Kiel, an den Schiffsschrauben oder sonst wo verfangen haben und über das gesamte Mittelmeer gezogen werden, dass die Fische sich wundern.

Das Schiff hat einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Es hieß vorher „Meerkatze“, lernt man da, und fuhr unter deutscher Flagge. Zitat: „Das vom Germanischen Lloyd klassifizierte Schiff verfügte über die Eisklasse E2.“ Wenn das mal nichts ist! Die Eisklasse E2, in der sich ansonsten bestimmt nur Politiker und Funktionäre tummeln!

Nachdem die „Aquarius“„ lange als Vermessungsschiff unterwegs war, fährt sie mittlerweile für die Seenotrettungsorganisation SOS Mediterranée unter der Fahne Gibraltars. Zugelassene Passagierzahl: „500 Schiffbrüchige“. Steht so da.

Die Geflüchteten auf der „Aquarius“ haben selbstverständlich ihre eigenen Lieder. Von Genesis oder dem Hippie-Musical „Hair“ werden die weit entfernt sein. Wenn die Geschichte gut verläuft, also die Geschichte mit großem G, werden wir diese Lieder dereinst einmal hören. Vielleicht sogar als Musical, das von einer großen Überfahrt erzählt. Mit Happy End und allem.

Das Buch, das auf die Genesis folgt, heißt Exodus und hat ein ähnlich glückliches Ende. Da schafft es auch ein Volk ins gelobte Land. Gibt Leute, die das mal wieder lesen sollten.

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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