Die Wahrheit: Der schnellste Sex der Welt

Irgendwann werden die Leute genug haben vom ewigen „Schneller und Schlaue“'. Und sich auf die gute, alte Zeit besinnen, als die Betten noch wackelten …

Mein Schwiegersohn gestand mir kürzlich, dass er Mitglied im „Mile High Club“ ist. Der versammelt inoffiziell Menschen, die schon einmal Sex im Flugzeug hatten, was allerstrengstens verboten ist, aber manche Fluggäste nicht davon abhält – wie meinen Schwiegersohn, der außerdem kundtat, er gehöre sogar dem „Mile High Baby Club“ an. Meine Tochter und er hätten ihr Kind im Flieger in rasender Geschwindigkeit gezeugt. Bei rund 900 Kilometern in der Stunde den Befruchtungsakt zu vollziehen, hätte enorm positive Auswirkungen auf das Kind.

Als ich davon hörte, tippte ich mir an die Stirn und erklärte meinen Schwiegersohn mal wieder für geisteskrank. Aber dann stellte sich heraus, dass an der Theorie etwas dran sein könnte. Viele erfolgreiche und berühmte Menschen zeugte man in schneller Fortbewegung. Kinder entwickeln sich besser, wenn die Eltern bei hohen Geschwindigkeiten zu Gange waren. Ursache unbekannt.

Für mich war es unangenehm, das zu akzeptieren. Bin ich selbst doch in einem fest an den Boden geschraubten Ehebett gezeugt worden und in der Tat beruflich nie auf einen grünen Zweig gekommen. Unsere Kinder haben meine Frau und ich beim Zelten beziehungsweise Kochen auf den Weg gebracht. Bewegung ja, aber von schnell möchte ich nicht reden.

Die Konsequenz: Auf Grund unserer Slow-Sex-Existenz schafften es auch unsere Nachkommen nicht über ein tristes Leben als Angestellte hinaus. Doch könnte das zukünftig anders aussehen. Die Hochgeschwindigkeitszeugung könnte zum Beispiel dem autonomen Fahren einen gewaltigen Entwicklungsschub verleihen. Endlich sicherer Autosex! Bislang scheiterte das Konzept lediglich daran, dass die computergesteuerte Liebeslimousine im entscheidenden Augenblick noch nicht automatisch anhält, sondern ungebremst ins Stauende rast. Uber lässt grüßen.

Dafür könnte die Bahn endlich wieder neue Schlafwagen in Betrieb nehmen, die als „Beischlafwagen“ sicher großen Zulauf hätten. Man sieht die Retrowelle der Nachtzüge schon durchs Land rollen, während die Lufthansa mit „Befruchtungsflügen“ ganz neue Kunden im Sektor „Bumsbomber“ finden könnte. Meine Frau bedrängte mich, es auch einmal mit so einem Flug zu probieren. Kritische Einwände zählten nicht. Stattdessen witzelte meine Familie, in meinem Genom sei wohl noch ein Rest Schildkröten-DNS aktiv.

Ich möchte dieser Fast-Sex-Bewegung nicht hinterher rennen. Ich weiß, was kommt: Irgendwann werden die Leute genug haben vom ewigen „Schneller und Schlauer“. Und sich auf die gute, alte Zeit besinnen, als die Betten noch wackelten, aber nicht mit Raketen verschossen wurden, und die nachfolgende Generation automatisch dümmer war als die ihrer Eltern. Spätestens dann wird es eine wahre Retro-Sex-Bewegung geben. Und so viel ist sicher: Ich werde einer ihrer ersten Protagonisten sein.

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Theobald Otto Johann Fuchs, geb. 1969, lebt in Nürnberg, arbeitet als promovierter Physiker, Autor, Kolumnist und Kritiker. Seit 1997 Veröffentlichungen in TITANIC, Salbader, taz, Fürther Nachrichten und in zahlreichen Anthologien. Gemeinsam mit der Grafikerin Katharina Winter betreibt Fuchs eine monatliche Fotokolumne im Nürnberger Kulturmagazin CURT (www.curt.de/nbg/). 2014 gewann er den Jurypreis des Fränkischen Krimipreises. Zuletzt erschienen: "Der zweite Krautwickel" (2019) und neun Beiträge zum Bieralmanach "Unser täglich Bier gib uns heute" (2020).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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