Die Wahrheit: Bombige Bombenerdbeerwoche
Neues aus Neuseeland: Bevor Mitte Juni das zu gebärende Baby von Premierministerin Ardern Aotearoa ausflippen lässt, gärt es bereits im Inselreich …
A lles war so schön ruhig hier unten, dass ich doch glatt vor zwei Wochen meine letzte Kolumne vergaß. Während ich noch überlegte, ob ich als nächstes über die neue Chips-Sorte „Hangi“ mit polynesischem Erdofen-Aroma oder lieber über unsere schwangere Premierministerin in Pantoffeln berichten soll, war der Winterschlaf plötzlich vorbei. Blut und Bomben Down Under!
Beim Documentary Edge Filmfestival in Wellington lief die antipodische Premiere des israelischen Films „Ben Gurion: Epilogue“. Das Interview-Porträt von Yariv Mozer, der auch schon schwule Palästinenser in Tel Aviv porträtiert hatte, ist nicht zionistisch angelegt. Doch die Tatsache, dass die israelische Botschaft den Flug des Filmemachers bezahlt hatte – genauso wie das Goethe-Institut Regisseur Till Schauder für „Wenn Gott schläft“ einflog – war Anlass für Alarm und Aufruf zum Boykott.
Eine falsche Bombe tickte im Kinosaal, alle wurden evakuiert. Eine Woche später dann echte Stinkbomben bei der „Ben Gurion“-Premiere in Auckland mit Verhaftungen. Bei der letzten Vorführung ein „Die-in“ von propalästinensischen Friedensaktivisten, die die Vorführung verhindern wollten. Die Polizei zog eine Linie auf dem Bürgersteig. Wieder wurde jemand abgeführt. Die Times of Israel berichtete.
Doch in den Fokus der Weltpresse gerieten wir vorige Woche wegen blutigerer Umstände. Das Studentenmagazin Critic aus Dunedin brachte ein ganzes Heft zum Thema Menstruation heraus – garantiert inspiriert von der „Erdbeerwoche“ der taz. 4.500 Ausgaben wurden gedruckt, aber nur die wenigsten fanden ihre Leser. Denn kaum waren die Hefte an der Uni ausgelegt, wanderte fast die Hälfte in die Müllcontainer – konfisziert vom Sicherheitsdienst am Campus.
Das Titelblatt – kein Foto, sondern die Illustration einer Grafikerin – zeigt eine geschlechtlich nicht festlegbare Person mit offener, blutender Vagina. Eher kruder Comic statt Pornografie. Doch für die Leitung von Neuseelands ältester Universität zu realistisch. Wer dort die Zensur veranlasste, ist noch unklar. Der Prokurator entschuldigte sich später. Da hatte bereits der Guardian die Weltnachricht verbreitet. Es ward die meistgelesene, noch vor den nordkoreanischen Friedensgesprächen.
Critic-Chefredakteur Joel MacManus wurde um 1.30 Uhr in der Früh von CNN aus dem Bett geklingelt. „Noch nie was von Zeitverschiebung gehört?“, wunderte er sich. Doch am meisten irritiert ihn in dem ganzen Periodendrama, dass er sechzig Exemplare in einem Container für Pappe, nicht Papier fand. „Come on, guys“, mahnte er seine Uni. „Wenn schon Zensur, dann bitte auch korrekte Mülltrennung.“
Egal, was in den nächsten zwei Wochen hier unten noch alles explodiert: Der 17. Juni ist Stichtag für das Baby von Premierministerin Jacinda Ardern. Das schlägt als Ereignis die königlich britische Hochzeit. Und garantiert wird’s auch blutig.
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