Die Wahrheit: Die vier Elemente: Erde
Von oben rieselt es! Hat Gott unsere alte Scheibe einfach umgedreht? Und jetzt steht der Weltuntergang ins Haus?
I ch lag erschossen auf dem Sofa, als plötzlich Erde vom Himmel fiel. So sah sie also aus, die Apokalypse. Die Erde würde auf die Erde fallen, Gott würde unsere Scheibe einfach umdrehen, und dann wäre es mit einem Handstreich vorbei! Alle Dinge würden nach oben purzeln und gleichzeitig nach unten.
Es ist ja schon komisch, dachte ich auf dem Sofa, weil ich noch zu faul war, um aufzustehen und auf den französischen Balkon zu treten, um zu sehen, ob vielleicht die Nachbarn mal wieder … Also, es ist ja schon komisch, dass man unseren Planeten „Erde“ genannt hat und nicht „Lehm“ oder „Lava“ oder, was das Naheliegendste gewesen wäre, „Luft“ oder „Wasser“. Erde kommt sicher viel vor, gerade für uns Menschen, aber Luft eben viel mehr, nur dass man sie nicht sieht, und Wasser wohl auch! Die Oberfläche der Erde wird zu 79 Prozent von Wasser bedeckt! Wie auch wir aus 79 Prozent Wasser bestehen! Und fast überhaupt nicht aus Erde, sieht man von den Phasen ab, wenn man Heilerde in sich hineingießt, um das Gedärm zu besänftigen.
Andererseits, dachte ich weiter, als ich endlich doch das Fenster öffnete, heißt die Erde nicht Heilerde. Unheilerde, so hätte man sie nennen können, als Pessimist und Umweltnörgler. Aber noch heißt sie so nicht. Sondern Erde. Lateinisch terra. Englisch earth. Und dass es Erde rieselte, könnte am Ende daran liegen, dass die Nachbarn umtopften. Oder ihre Zimmerpflanzen an die freie Luft stellten. So etwas.
Das ist ein sensationelles Wort: „umtopfen“! Oder auch: „Torf“. Mit Torf umtopfen! Klingt extraordinär. Allein, mit Zimmerpflanzen hatte ich es nie so. Ich kann kaum eine Hortensie von einer Geranie unterscheiden und war eigentlich schon immer der Meinung, dass Pflanzen nach draußen gehören und nicht in eine Wohnung. Als ich noch Mitbewohner war, sind wegen meiner Wenigkeit einige seltene Exemplare schlichtweg verdörrt. Vertrocknet, eingegangen, sie hatten das pflanzlich-vegetarische Leben aus Wassermangel eingestellt. Sie waren mir eben immer egal, die Pflanzen meiner Mitbewohner.
Ich sah nach oben, doch es rieselte nichts mehr. Blauer Himmel, kein herabfallendes Braun. Zurück auf dem Sofa checkte ich Facebook, ob es schon irgendwelche Nachrichten bezüglich herabfallender Erde gab. Wo habe ich das erste Mal von Michael Jacksons Tod erfahren? Vom Anschlag auf den Breitscheidplatz? Von dem neuen Pferd „Gerda“, einer gescheckten Stute, der Freundin meines Bruders? Richtig, auf Facebook. Diesmal aber: keine Nachricht. Kein Weltuntergang auf Erden. Stattdessen eine Meldung, die besagte: „Dicke haben schlechte Spermien.“
„Fühlen Sie sich besser und länger!“, las ich. Vielleicht war das mit dem Weltuntergang auch nur wieder irgendein Quatsch, den ich mir selbst ausgedacht hatte. Und es wurde einfach dringend Zeit, das Sofa zu verlassen und hinauszugehen, in die weite, weite Erde … äh, Welt. Oder so.
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