Die Wahrheit: „Ich tanze auf zu vielen Hochzeiten“
Das Wahrheit-Interview: Ein Gespräch mit dem deutschen Schwerintellektuellen Navid Kermani über Auszeichnungen, Preise und Ehrungen.
taz: Lieber Herr Kermani, ich nenne Ihnen jetzt einige Jahreszahlen, was fällt Ihnen dazu ein? 2001, 2002, 2005, 2006, 2007, 2010, 2013.
Navid Kermani: Es sind, wie ich sie für mich nenne, „die Zahlen der Schande“, denn in diesen Jahren habe ich keinen, ich wiederhole: keinen einzigen renommierten Preis verliehen bekommen.
Bravo, genau richtig! Aber hat man Ihnen, quasi zum Ausgleich, nicht im Jahr 2011 zwei Auszeichnungen verliehen, die Buber-Rosenzweig-Medaille und den Hannah-Arendt-Preis, 2012 sogar drei, den Ehrenpreis des Kölner Kulturpreises, den Kleist-Preis und den Cicero-Rednerpreis, wie auch im Jahr 2014, den Gerty-Spies-Literaturpreis, den Joseph-Breitbach-Preis und den Deutschen Dialogpreis des BDDI? Hingegen gab es 2015 nur zwei Auszeichnungen, die Mitgliedschaft der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste sowie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, ebenso 2016, den Marion Dönhoff Preis für internationale Verständigung und Versöhnung sowie den Bürgerpreis der deutschen Zeitungen, was war da los?
Neider und Böswillige gibt es überall, damit muss ich leben, manchen bin ich auch, als Muslim mit persischen Wurzeln, nicht „deutsch“ genug.
2017 war dann aber wieder ein sehr, sehr gutes Jahr, ein weiterer Höhepunkt Ihrer bisherigen Preiseinheimsungskarriere, wenn ich das mal so salopp formulieren darf: ECF Princess Margriet Award for Culture der European Cultural Foundation, Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Hermann-Sinsheimer-Preis.
Schön und grün, aber was ist mit dem Büchnerpreis? Der wird mir nun seit Jahrzehnten vorenthalten, und niemand empört sich! Sogar die Nebenpreise der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sind mir nie verliehen worden, weder der Sigmund-Freud-Preis noch der Friedrich-Gundolf-Preis wie auch der Johann-Heinrich-Merck-Preis. Zufall?
Aber gerade Sie können sich doch nicht über mangelnde öffentliche Aufmerksamkeit beklagen! Sie haben 2014 die Festrede gehalten anlässlich der Feierstunde des Deutschen Bundestages zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes!
Das war in der Tat eine große Ehre, ich weiß es wohl. Aber als ich im vergangenen Jahr als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Gespräch gebracht wurde, hat sich erneut gezeigt, dass die deutsche Gesellschaft eben doch noch nicht reif ist für jemanden wie mich. Eine vertane Chance für Deutschland, endlich aus der Naziecke herauszukommen, leider.
In Ihrem „wissenschaftlichen“ Werk beschäftigen Sie sich mit Gott und dem Koran („Gott ist schön“, „Der Schrecken Gottes“, „Ungläubiges Staunen“), wie würden Sie Ihr literarisches Schaffen beschreiben?
Meine vier großen Romane „Kurzmitteilung“, „Dein Name“, „Große Liebe“ und „Sozusagen Paris“ handeln von der Liebe, der Unmöglichkeit der Liebe und gleichzeitig der Unmöglichkeit der Nicht-Liebe. Zum Beispiel „Dein Name“: Das ist einer der ungewöhnlichsten Romane unserer Zeit, ich schreibe über alles, was es zu wissen gibt, über mein Leben und das Leben überhaupt.
Sie sind Orientalist, Schriftsteller, Journalist, Historiker, Kriegsberichterstatter, Kurator, Musikexperte, Beinahe-Politiker – gibt es irgendetwas, was Sie nicht können?
Auch mal die Schnauze zu halten (lacht). Nein, im Ernst, manchmal habe ich das Gefühl, auf zu vielen Hochzeiten zu tanzen. Deshalb will ich mich in diesem Jahr auf ein Ziel konzentrieren: den Nobelpreis. Am liebsten wäre mir der für Literatur, aber ich würde auch den Friedensnobelpreis in Demut und Dankbarkeit annehmen.
Navid Kermani, wir wünschen Ihnen dabei viel Erfolg und danken für das Gespräch.
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