Die Wahrheit: Diese jene hier wie dort
Diesmal in der Sprachkritik: Irreführungen durch hinweisende und andere Fürwörter sind keine Seltenheit.
Frohe Kunde für Tierschützer: Selbst die Gegner machen mit! Der Beweis ist eine Nachricht in der taz über „Alternativen zu Tierversuchen. Einige konservative Politiker halten diese für ethisch bedenklich“ – also die Tierversuche; hielten die Konservativen die Alternativen für bedenklich, hätte die taz selbstverständlich „jene“ geschrieben.
Sollte sie aber „diese“ und „jene“ nicht auseinanderhalten können, befände sie sich in guter Gesellschaft, beispielsweise in der des großen Romanciers Eduard von Keyserling. In seinem Roman „Die dritte Stiege“ schrieb er: „Als Lothar am Morgen in die Redaktion ging, fand er Barnisch bei Klump. ,Ah!', sagte dieser. ,Wir warten auf dich.‘“ Wie sich herausstellt, ist es aber nicht „dieser“, der Lothar begrüßt, sondern jener, nicht Klump, sondern Barnisch.
Wie in den Räumen einer Redaktion hilft ein gutes Orientierungsvermögen auch in der Sprache, um sich zurechtzufinden: „Diese“ sind näher als „jene“, folglich bezieht sich „dieses“ aufs zuletzt, „jenes“ aufs zuerst Genannte – außer man macht es egal wie in dem Gedicht auf einer Postkarte: „Göttliche Liebe: / Es ist diese jene Liebe, / die alles gibt und / nichts begehrt“.
Gesprochene Klarheit
Im gesprochenen Deutsch muss man nicht allweil penibel sein, weil die Umstände der Rede meist für Klarheit sorgen. In einem geschriebenen Text fehlen sie: Er muss allein durch seine Wortwahl bestehen. Pardon: diese jene seine Wortwahl!
Es geht also um Nähe und Distanz: Meint man jene, muss „diese“ stehen; meint man diese, „jene“. Alles klar? Klar ist auch, dass jedes der beiden Demonstrativpronomen ohne sein Gegenstück stehen kann. Wenn man es denn kann! Der erste Satz einer Schauergeschichtenparodie in der taz lautet: „Als Lisbeth Schuber den Treppenabsatz erreicht hatte, löste sich just jener unter ihr auf.“ Richtig oder falsch?
Falsch ist richtig. Richtig heißt es in einem Fußballroman, der Icherzähler sei einst „für ein Fanzine unterwegs (gewesen). Also für ein von Hobbyautoren gemachtes Heft. Jenes Magazin hieß Bude“ – richtig, weil sich im Pronomen die zeitliche und inzwischen auch innere Distanz des Erzählers ausdrückt. Zeitliche Entfernung kommt ebenfalls zum Ausdruck, wenn es in einem aktuellen Buch über die deutschen Handballweltmeister von 1978 heißt: „Brand zählte zu den Pfeilern [gemeint sind: Stützen] jener Mannschaft, die mit diesem Triumph in die Ruhmeshalle des internationalen Handballs einzog.“
Wahrscheinlich verbirgt sich hier auch das Geheimnis dieser jener Liebe: Der Liebeslyriker hält sie für etwas Fernes. Könnte er sagen, was er meint, würde der Satz nicht „Es ist diese jene Liebe“ lauten und auch nicht „Diese ist jene Liebe“, sondern weniger gespreizt: „Das ist jene Liebe“, oder noch einfacher: „Es ist die Liebe“ (mit betontem Artikel). Tja. Wer sich geschwollen ausdrückt, muss halt gewärtigen, über die selbst aufgeworfenen Sprachwülste zu stolpern.
Selten ist die Aufplusterung simpler Personalpronomen oder Artikel zum Demonstrativpronomen nicht, jedenfalls in der taz: „Sollte es zu einer Hungersnot kommen, hätte diese Millionen Tote zur Folge.“ Oder: „Man erwog einen Umzug. Vollends nötig wurde jener, als“ – unnötig sind auch die prätentiösen Demonstrativa, weil „sie“ beziehungsweise „er“ genügen.
Distanz zum Mittelmeer
Zudem kann die Verwendung von „jene“ anstelle von „diese“ verräterisch sein. Ein taz-Gastrokritiker rühmt „Doraden“, denn er „schätzt sie gebraten auf Fenchelgemüse oder in Olivenöl vom Grill. Am liebsten tummelt sich jener schmackhafte Speisefisch in den wärmeren Küstengewässern des Mittelmeers“: Er wahrt Distanz, obwohl ihm scheinbar das Wasser im Mund zusammenläuft. In Wahrheit paraphrasiert er also eine fremde Meinung, hat aber den Fisch selber nicht auf dem Teller gehabt. Die Dorade ist für ihn weit entfernt, in jenem Mittelmeer.
„Dieser schmackhafte Speisefisch“ wäre geschickter gewesen und korrekt, zumal das Demonstrativpronomen ja auf schon Gesagtes verweist. Außer natürlich in der taz! „Seit Anfang der 90er Jahre arbeitet der deutsche Archäologe Dietrich Raue zu dieser Tempelanlage“, schreibt sie, ohne sie zuvor erwähnt zu haben. Das geschieht erst zehn Zeilen später.
Dass es an einem mangelhaften Orientierungssinn liegt, wenn „diese“ und „jene“ falsch benutzt werden, dafür sprechen auch andere Irreführungen im Raum der Sprache. „Die Frage, die sich stellt, ist: Beginne ich ein Sinologiestudium oder eine Lehre auf dem Bau?“, fragt jemand in der taz und grübelt: „Hier winken jahrelange unbezahlte Praktika und Kurzsichtigkeit, dort Hungerlohn und Biertitten.“ Biertitten beim Sinologiestudium – es ist eine seltsame Welt!
Damit schließe ich hier diese jene Glosse dort.
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